Mustafa Gündar: „Es ist dein Leben"

Mustafa Gündar und sein Film "Es ist dein Leben"

Mustafa Gündar wurde am 7.12.67 in Maras (Türkei) geboren. 1988 kam er nach Kassel und begann 1997 Sozialarbeit/-pädagogik zu studieren. Im Rahmen seiner Diplomarbeit zur Situation ausländischer Mädchen in Kassel entstand der Film "Es ist dein Leben". Erfahrungen auf der anderen Seite der Kamera sammelte er bereits als Hauptdarsteller in dem interkulturellen Filmprojekt "Yenilebilenler - Die Besiegbaren".

Mustafa, um was geht es in dem Film?

Der Film erzählt das Leben der 17jährigen Özlem, die mit ihrer westlich-modern orientierten Familie in der Kasseler Nordstadt lebt. Sie ist eine erfolgreiche Schülerin und möchte nach dem Abitur studieren. Mit ihrer spanischen Freundin Conchi teilt sie ihre Freuden und Ängste. Alles verläuft glücklich und harmonisch, bis der Großvater in der Türkei schwer erkrankt. Als ältester Sohn muss der Vater ihm beistehen, und die Familie muss zurück in die Türkei. Für Özlem bricht eine Welt zusammen.

Wer war an dem Projekt beteiligt?

Der Film entstand als Diplomarbeit im Fachbereich Sozialwesen der Universität Kassel im Rahmen des Nordstadtprojekts und in Kooperation mit dem Kulturzentrum Schlachthof.

Ihr habt das Medium Kurzfilm, also eine Art kurzen Spielfilm ausgewählt. Warum?

Ich war der Meinung, dass man durch einen Spielfilm mehr Menschen erreichen kann und gerade die Zielgruppen - ausländische Mädchen und junge Frauen - sich eher einen Spielfilm anschauen als z.B. einen Dokumentarfilm. Durch den Spielfilm habe ich auch die Möglichkeit, verschiedene Probleme wie das Verhältnis zwischen dem türkischen Mädchen und ihrem älteren Bruder oder die Freundschaft der beiden Mädchen, die aus unterschiedlichen Kulturen stammen, besser darstellen zu können. 

Nun ist ja Spielfilm anders als eine Dokumentation eine fiktive Darstellung. Ist das alles also nur erfunden und konstruiert?

Nein. In wesentlichen Aussagen basiert der Film auf einer soziologischen Untersuchung. Im Vorfeld habe ich einen umfangreichen Fragebogen erstellt, um Informationen über die Lebenssituationen und Zukunftserwartungen ausländischer Mädchen und junger Frauen aus Kassel zu bekommen. Mit Hilfe eines Statistikprogramms habe ich die ca.100 rückläufigen Fragebögen ausgewertet. Daraus entstand das Grundgerüst für den Film.

Was waren die Kernaussagen dieser Umfrage?

Im wesentlichen gab es zwei Kernaussagen. Für viele ausländische Mädchen - vor allem für türkische Mädchen - hat Bildung einen hohen Stellenwert, und die Familie und Freundschaft haben eine hohe Gewichtung.

Ihr habt in und um das Kulturzentrum Schlachthof in der Kasseler Nordstadt gedreht. Wie kam es zu dieser Kooperation?

Der Stadtteil wurde bewusst gewählt. Zum einen entstand die Diplomarbeit im Rahmen des Nordstadtprojektes, und zum anderen kamen die meisten von mir befragten Mädchen aus der Nordstadt. Das Kulturzentrum Schlachthof ist ein zentraler Punkt in der Kasseler Nordstadt und bietet unterschiedlichsten Nationalitäten die Möglichkeit, ihre Kultur auszuleben, wie z.B. dem spanischen Verein, wie das auch in der Flamenco-Szene im Film dargestellt wird.

Ist das Projekt nun abgeschlossen? Oder gibt es weitere Pläne?

Das Filmprojekt an sich ist sicherlich abgeschlossen. Es gibt einige Anfragen von Schulen und verschiedenen Institutionen, den Film in einem größeren Rahmen noch mal zu zeigen. Ich könnte mir auch gut vorstellen, den Film mit den Hauptdarstellerinnen in Schulen zu zeigen und mit den Schülern über die Inhalte zu diskutieren.

Gibt es noch etwas, was du an dieser Stelle loswerden möchtest?

Es wäre schön wenn, der Film Verständnis für andere Kulturen wecken und ausländischen Mädchen, die in ähnlichen Situationen stecken, Mut machen könnte. Ich habe noch viele Ideen für weitere Filmprojekte, gerade auch im interkulturellen Kontext. Wir bereiten gerade ein weiteres Projekt vor und hoffen, dass wir von entimon, dem Bundesprogramm gegen Gewalt und Rechtsextremismus unterstützt werden. Darüber hinaus entsteht gerade, auch in Zusammenarbeit mit dem Schlachthof und der Uni Kassel, ein Film über die Gewaltsituation von Jugendlichen in der Kasseler Nordstadt.

Mustafa, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte: Bernd Hesse © 2003 LAKS Hessen e.V, www.laks.de