"Ein großer Gewinn für die Kultur unseres Landes"

Eva Kühne-Hörmann, kulturpolitische Sprecherin der hessischen CDU-Landtagsfraktion.

Seit 2001 ist Eva Kühne-Hörmann kulturpolitische Sprecherin, seit 2003 stellvertretende Fraktionsvorsitzende der hessischen CDU-Landtagsfraktion. Im Interview mit der LAKS äußert sie sich zu den kulturpolitischen Schwerpunkten der CDU, zur Verbindung von Wirtschafts- und Kulturpolitik oder zur Bedeutung der soziokulturellen Szene für Hessen. Eva Kühne-Hörmann ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Frau Kühne-Hörmann, die Kulturfinanzierung steht nahezu allerorten auf dem Prüfstand. Woher rührt es Ihrer Meinung nach, dass Wirtschaftssubventionen, obwohl deutlich höher, wesentlich weniger umstritten sind als die anteilige Finanzierung von Kultur?

Kultur wird immer noch von vielen Menschen hauptsächlich in ihrer kulturpolitischen und gesellschaftlichen Funktion wahrgenommen und gerade in wirtschaftlich schweren Zeiten wie heute gegenüber der Wirtschaftsförderung vor dem Hintergrund des Sparzwanges fälschlicherweise als" Luxus" betrachtet. Der Beitrag der Kulturwirtschaft für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes ist demgegenüber weitgehend unbekannt. Um dieser Desinformation entgegenzuwirken und fundierte Grundlagen für das weitere Handeln zu gewinnen, hat die Hessische Landesregierung den 1. Hessischen Kulturwirtschaftsbericht erstellt. Dieser belegt und unterstützt die Erkenntnis, dass Kultur längst auch zu einem wichtigen wirtschaftlichen Standortfaktor geworden ist. Die von der Landesregierung geplante Museumslandschaft Kassel zeigt auf diesen Erkenntnissen basierend, eindrucksvoll ein Umdenken in diesem Bereich.

Kommen wir auf die Situation in Hessen zu sprechen. Welches sind die kulturpolitischen Leitlinien Ihrer Fraktion für die kommende Zeit?

Und wie äußert sich dies in der Kulturpraxis? Die Kulturpolitik der Fraktion basiert auf der Überzeugung der zentralen Bedeutung von Kunst und Kultur für Hessen. Es gilt in 1. Linie die freie Entfaltung von Kunst und Kultur zu sichern, allen Bürgern den Zugang zu kulturellen Inhalten und Institutionen zu ermöglichen, kulturelles Erbe in seiner Vielfalt zu bewahren, aber auch Anstöße für neue Entwicklungen zu geben. Wir sind stolz darauf in finanziell schwierigen Zeiten zum Kulturinvestitionsprogramm zu stehen. Die Empfehlungen des Berichts der Hessischen Kulturkommission fließen weiter in unsere Arbeit ein. Wir definieren Schwerpunkte und wollen die Wirkung von Landesförderung optimieren. Gesetzte Schwerpunkte wie die Museumslandschaft Kassel, die Kulturhauptstadtbewerbung 2010, die Staatstheaterfinanzierungen, den Ausbau der Welterbestätten der UNESCO, die Filmförderung, die Landesgeschichte, die Förderung der Musikschule oder die Kultursommer gilt es ebenso wie die Soziokultur und die freie Szene in der Umsetzung weiter zu begleiten.

Ihr Parteikollege, Minister Udo Corts, hat vor kurzem in einem Interview zu Recht die Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements auch im Kulturbereich hervorgehoben: "Die Menschen wissen, dass der Staat nicht mehr alles leisten kann. Das Bürgerengagement ist daher ein wichtiger Bestandteil, die Kulturpolitik der Zukunft.". Nun leistet sich der Staat, hier das Land Hessen, auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen einiges, wie den Museumspark Kassel. Besteht da nicht die Gefahr, dass zwangsläufig anderes auf der Strecke bleibt oder dem bloßen Bürgerengagement, ohne angemessene Unterstützung des Staates, überlassen bleibt?

Nein, beides ergänzt sich. Wir streben in Hessen eine Bürgergesellschaft an, in der sich die Menschen aktiv an der Gestaltung unseres Landes beteiligen. Die Vielzahl und Vielfalt ehrenamtlichen Engagements sind mitentscheidend für die Lebensqualität und Lebendigkeit unseres Landes, aber auch ein Bekenntnis zur Subsidiarität. Der Staat kann nicht alle Aufgaben übernehmen und darf keine Aufgaben an sich ziehen, die andere besser erledigen können. Bürgerinitiative und ehrenamtliches Engagement sind unverzichtbar für die landesweite kulturelle Vielfalt und Breite in vielen Bereichen. Es gilt daher das Ehrenamt in der Kultur weiter zu fördern. Das heißt aber nicht, dass der Staat sich in diesem Bereich seiner Verantwortung entzieht.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hafteten in Hessen der Soziokultur lange negativ besetzte Stigmata als "Sozialistenkultur" oder "Laienkultur" an. Gehören derartige Ressentiments spätestens seit dem Bericht der Unabhängigen Hessischen Kulturkommission oder dem 1. Hessischen Kulturwirtschaftsbericht der Vergangenheit an?

Eine derartige angebliche negative Stigmatisierung der Soziokultur in Hessen kann ich, seit ich Landespolitik mitgestalte (1995), nicht bestätigen. Im Gegenteil besteht parteiübergreifend bei allen Ländern und beim Bund Übereinstimmung hinsichtlich des großen Wertes und der hohen Bedeutung von Soziokultur für unsere Gesellschaft.

Nun hat die die Soziokultur in ihrer Angebotskombination Alleinstellungsmerkmale, die andere Kulturanbieter nicht oder zumindest nicht in dieser Ausprägung aufweisen können, z.B. eine vorbildliche Einbindung von ehrenamtlichen Engagement, ein junges und nachwachsendes Publikum, kulturelle oder wirtschaftliche Impulsgebungen oder niedrigschwellige Angebote für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Wo liegen aus Ihrer Sicht die wichtigsten Leistungen aus dem vielfältigen Angebotsspektrum der soziokulturellen Szene? Und zwar in der Gegenwart sowie für die Zukunft?

Die Soziokulturelle Szene leistet in Hessen nicht nur in den Städten, sondern auch in den ländlichen Regionen wichtige kulturelle Arbeit an den Schnittstellen zwischen Gesellschaft, Kunst, Kultur und dem sozialen Bereich. Die Arbeit ist und bleibt nicht nur sinnvoll, sondern weit über den kulturellen Faktor hinaus notwendig in Bereichen wie der Regionalentwicklung, der Jugendkultur, der Ausländerintegration und als Teil wirtschaftlicher Standortbestimmung.

Die LAKS Hessen hat in Kooperation mit der Kulturpolitischen Gesellschaft in Bonn im Rahmen eines dreijährigen Projektes die Landesförderung im Bereich Soziokultur untersuchen lassen, z.B. zu Nutzen und Nachhaltigkeit des Mitteleinsatzes oder Schaffen stabiler Strukturen. Wie gedenkt ihre Fraktion die Ergebnisse dieser Untersuchungen in eine kulturpolitische Programmatik einfließen zu lassen?

Die in dem Bericht dargestellten Fakten, nicht unbedingt die daraus gezogenen Wertungen, sind verwertbar für die Gestaltung künftiger Kultur- und Förderpolitik und werden dementsprechend in geeigneter Weise in die kulturpolitische Arbeit der Fraktion einfließen.

In einem Kasseler Stadtmagazin äußerten sie sich vor den letztjährigen Landtagswahlen folgendermaßen: "Um Leitlinien für die hessische Kultur zu entwickeln, hat die Landesregierung jetzt eine Kulturkommission beauftragt, die Schwerpunkte der "Hessenkultur" herauszuarbeiten. Dabei wird auch die Soziokultur eine große Rolle spielen, was man der CDU so wohl nicht zugetraut hätte." Seitdem wurde die Soziokultur im Gegensatz zu den meisten anderen Kulturbereichen, die ungekürzt blieben oder gar erhöht wurden, zweimal gekürzt. Das hatten wir, ehrlich gesagt, anders verstanden...

Wir haben die Förderung für die Soziokultur in Anerkennung ihrer hervorragenden Arbeit und um diese weiter zu fördern zunächst von 2001 auf 2002 erhöht.Dann hat uns die katastrophale Wirtschaftspolitik der rot/grünen Bundesregierung zu Kürzungen gezwungen. Hiervon waren fast alle Kulturbereiche gleichmäßig betroffen, wobei die Soziokultur verhältnismäßig wenig eingebüßt hat.

Wie stehen Sie grundsätzlich zu den wesentlichen kulturpolitischen Forderungen der LAKS Hessen, die im Wesentlichen die drei Dauerproblembereiche zum Kern haben: die Erhöhung des Landesetats Soziokultur, die Absicherung der LAKS-Geschäftsstelle sowie die Unterstützung bei investiven Maßnahmen.

Eine Fördererhöhung wäre zwar, wie bei vielen anderen Sparten auch, wünschenswert, erscheint jedoch aufgrund der bekannten Haushaltslage ausgesprochen schwierig. Erhöhungen sind gegenwärtig nur durch Einsparungen anderswo bei der Kulturförderung möglich. Außerdem muss die "Jährlichkeit" des Haushaltes berücksichtigt werden sowie, dass jede neue über das Jahr hinausgehende Förderverpflichtung den Spielraum für neue, andere Projekte oder Initiativen weiter einschränkt.

Im Übrigen haben wir auch bei den augenblicklich durchgeführten Projektförderungen im Rahmen des Haushaltsrechts eine weitgehend gleichmäßige und kontinuierliche Förderung der Zentren erreicht. Für das Kernproblem, über möglichst viele Jahre einen festen, möglichst hohen Förderbeitrag für Soziokultur im Landeshaushalt zu garantieren, sehe ich mittelfristig kaum eine Möglichkeit, zumal etwa private Musikschulen dann ebenfalls und zu Recht solche Garantien verlangen würden. Dies ist aber bei der momentanen Haushaltssituation, so wünschenswert es auch ist, nicht leistbar. Ferner bleibt die vorrangige finanzielle Verantwortung der Kommunen festzuhalten.

Im Vergleich zu anderen Ländern liegt Hessen sowohl bei der Höhe der Förderung wie in der Vielfalt der Förderinstrumentarien im hinteren Mittelfeld. So beträgt der Anteil der Soziokulturförderung an der hessischen Kulturförderung nicht einmal 0,1 Prozent! Kommen wir zum Schönen Baren Guten: Was wird Ihre Fraktion kurzfristig, also für 2005, und was mittelfristig unternehmen, um die Leistungen und Angebote der soziokulturellen Szene in Hessen auch weiterhin zu ermöglichen?

Die Fraktion wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Strukturen der Soziokultur trotz der dramatischen finanziellen Situation in Hessen erhalten bleiben, mit der Perspektive, auch neuen Projekten im soziokulturellen Bereich eine Chance zu geben

In einem Beitrag in der jüngst erschienenen Publikation "Soziokultur und ihre Förderung durch die Länder" heißt es: Es bleibt festzustellen: Das "Prinzip Soziokultur" hat sich in jahrzehntelanger Dauerbelastung auch in Hessen als vielfältiger kultureller wie wirtschaftlicher Impulsgeber und als nachfragestarke wie nachhaltig wirkende Kultursparte etabliert und bewährt. Dabei ist die soziokulturelle Szene in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit großem Engagement und kreativen Management, darunter viel zu häufig auch existentielles und aufreibendes Krisenmanagement, in Vorleistung gegangen. Nun ist es an der Politik, endlich Farbe zu bekennen und dem Prinzip Soziokultur mit verbesserten Rahmenbedingungen die politische wie fördertechnische Bedeutung zu geben, die sie in der Realität längst erreicht hat. Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein praktischer Weg. Findet er sich endlich auch in und für Hessen?". Frau Kühne-Hörmann, findet sich der Weg?

Ja, durch kontinuierliche sachliche Zusammenarbeit zwischen soziokultureller Szene und Politik im Rahmen des Machbaren. Ich finde es gut, wie die soziokulturelle Szene die nicht immer leichte Situation in den vergangenen Jahren mit großartigem Engagement und Kreativität gemanagt hat. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst steht in intensivem Kontakt mit der LAKS und bearbeitet kontinuierlich in einem Interministeriellen Arbeitskreis Soziokultur die anstehenden Themen und Fragestellungen. Die hessischen soziokulturellen Aktivitäten sind ein großer Gewinn für die Kultur unseres Landes. Als Sprecherin für Wissenschaft und Kunst werde ich mich wie bisher weiter für die Soziokultur einsetzen.

Frau Kühne-Hörmann, wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte: Bernd Hesse © 2004 LAKS Hessen e.V, www.laks.de