Vom Wert des Outputs soziokultureller Arbeit

Der Verein künstLich in Lich

Seit dem Jahr 2004 existiert der Verein künstLich, der das kulturelle Spektrum in der mittelhessischen Kleinstadt Lich erweitern möchte. Im Gespräch mit der LAKS äußern sich Christoph Wüstenhagen und Verena Pappusch zu den Hintergründen, Erfahrungen und Perspektiven ihrer Arbeit.

Seit etwas mehr als einem Jahr existiert der Verein künstLich e.V. Was macht ihr und was war eure Motivation?

Nichtprovinzielle Kultur in der Provinz. Hauptsächlich organisieren wir Bühnenveranstaltungen aller Sparten im - gerade für das beste Kinoprogramm Deutschlands vom BKM ausgezeichneten - Kino Traumstern in Lich und der Traumsternkneipe 'Statt Gießen', ca. 80-100 jährlich. Ein wichtiger Schwerpunkt sind auch anspruchsvolle Angebote für Kinder und Jugendliche. Durch die enge Verzahnung mit dem Traumstern entstehen, gewissermaßen als Hausspezialität, oft genre-übergreifende Veranstaltungen in Zusammenhang mit Filmen.

So etwa die bundesweit einmalige Reihe 'artist's view', in der Künstlerpersönlichkeiten nach einem Soloprogramm ihren persönlichen Lieblingsfilm präsentieren. In diesem Jahr läuft zum ersten Mal mit großer Resonanz ein Filmprojekt, in dem Jugendliche unter professioneller Betreuung einen Film produzieren, der am 4. Dezember hier im Haus uraufgeführt werden wird. künstLich e.V. arbeitet intensiv mit einer Vielzahl örtlicher und regionaler Partner zusammen, als Beispiele seien die Veranstaltungsreihen zum 9. November 1938 in Lich oder die Licher Kulturtage genannt, wo zum Teil über 25 beteiligte Interessensgruppen, Verbände und Institutionen im Netzwerk der 'Kulturwerkstatt Lich' rege kooperieren.

Erste Motivation zur Vereinsgründung war, die Bühnenprogramme des Kino Traumstern mittelfristig fortführen zu können, aber auch, sie qualitativ und quantitativ fortzuentwickeln und das Selbstverständnis als soziokulturelles Zentrum zu verfestigen. Weitere Ideen bzw. Aufgaben gibt es reichlich - so können Stichworte zum Beispiel 'Kulturzentrum Bezalel Synagoge' in Lich oder auch 'Kultur im Schloßpark' sein.

Wie sieht euer Zwischenfazit aus?

Ich glaube, dass die bereits im ersten Jahr angebotene Programmqualität, -fülle und -vielfalt für sich spricht, ebenso wie die gute Publikums- und Medienresonanz. Die Eigenfinanzierung über Eintritte allein betrug im vergangenen Jahr etwa zwei Drittel, was wohl ebenfalls nicht kommentiert zu werden braucht. Die angestrebte Einbindung und Aktivierung des Umfeldes und dessen ideelle wie finanzielle Unterstützung ist durchaus noch ausbaufähig, ebenso wie der breite Bekanntheitsgrad und die Akzeptanz von künstLich e.V., jenseits des Kino Traumstern, vor Ort und regional.

Wo seht ihr die Perspektiven und die Ziele eurer Arbeit?

Wenn man mal die permanente Finanzknappheit ausblendet, sind für uns die spannenden Punkte vor allem die, wo nicht allein Unterhaltung stattfindet, sondern Neugier bei Publikum und Künstlern geweckt wird und Programme zur Realisation finden, die neue Wege einschlagen. Wir stellen Künstlern zum Teil unsere Ideen vor oder versuchen aus unserer Sicht interessante, 'schwer vermittelbare' Programme durch passende Einbindung mit anderen Programmen an ein Publikum zu bringen. Das gelingt natürlich nicht immer. Nehmen aber künstlerische Ideen hier ihren Anfang und werden daraus spannende und sogar erfolgreiche Projekte, sind das für uns die motivierendsten Erlebnisse. Viele Künstler besetzen unser Haus besonders positiv, die Kommunikation und der Kontakt mit dem Publikum sind hier oft sehr direkt und ausgeprägt, was sicher auch eine wesentliche Grundlage für einige denkwürdige Veranstaltungen war. Diese wohl durchaus individuelle Atmosphäre spielt eine große Rolle, und wir achten in unserer Arbeit sehr darauf, das Persönliche nicht durch falsch verstandene Professionalität zu ersetzen. Insofern versuchen wir perspektivisch, eher langsam zu wachsen und bei aller Fortentwicklung Bodenhaftung zu wahren. Auf die Finanzknappheit zurück kommend ist natürlich auch diese nicht unmaßgeblich dafür, daß hier keine Bäume in den Himmel wachsen. Beispielhaft sei erwähnt, daß die Kommune Lich unsere Arbeit mit 0,00 € finanziell unterstützt - und Änderung scheint nicht in Sicht.

Ihr engagiert euch auch in einem Zusammenschluss, der eine alte Synagoge in Lich als Kulturzentrum ausbauen und betreiben möchte. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Das Kulturzentrum Bezalel Synagoge Lich wird nach vielen Verzögerungen und einem etwa 15 Jahre langen, mühseligen politischen Prozesses gegen Ende diesen Jahres fertig restauriert sein und voraussichtlich Ende Januar 06 eröffnet. Die Synagoge wurde von der Stadt Lich, ermöglicht vor allem durch das inhaltliche und finanzielle Engagement der örtlichen Ernst-Ludwig-Chambré Stiftung, nun endlich vor dem Verfall bewahrt.

Dies wird in Lich, wo die Nazis sehr eifrig und erfolgreich sämtliche jüdischen Familien vertrieben bzw. deportierten und es immer noch viele gibt, die daran nicht erinnert werden möchten, ein ganz wichtiger Ort der Erinnerung und des kulturellen Lebens werden. Nach langer und zum Teil zehrender politischer Debatte sieht es nun so aus, dass auch einige wenige Projektmittel für die im Zusammenhang mit der Synagoge sehr wichtige kulturelle Koordination von der Stadt zur Verfügung gestellt werden. Dieses Projekt wird aller Voraussicht nach der ehemaligen Leiter der Musikschule Lich und maßgebliche Initiator der Kulturwerkstatt Peter Damm betreuen, der auch Mitglied bei künstLich e.V. ist. Wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit der Kulturwerkstatt und der Stiftung einige Programme für das Kulturzentrum beizutragen.

Ihr bildet in Kooperation mit dem Kino Traumstern, einem engagierten und bundesweit bekannten Programmkino, zum Veranstaltungskauffrau bzw. zum Veranstaltungskaufmann aus. Verena, wann hast du deine Ausbildung begonnen und was beinhaltet sie?

Ich habe meine Ausbildung im September 2004 begonnen, bin also jetzt im zweiten Lehrjahr. Insgesamt dauert die Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau drei Jahre. Es geht in erster Linie darum, Veranstaltungen zu konzipieren und zu organisieren, Kosten zu kalkulieren und alle kaufmännischen Aufgaben rund um die Planung, Durchführung und Nachbereitung einer Veranstaltung zu übernehmen. Da ich meine Ausbildung im Kino Traumstern mache, ergeben sich natürlich viele weitere Aufgaben rund um den Kinobetrieb. Wie z.B. das Arbeiten an der Kasse und in der Kinotechnik. Es ist eine Ausbildung im dualen System, d.h. in Kooperation mit der Berufsschule, die ich zweimal wöchentlich besuche.

Wie stehen die Chancen, in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage, nicht nur auszubilden, sondern auch perspektivisch weitere Arbeitsplätze zu schaffen?

Die derzeitige wirtschaftliche Lage ist sowohl für künstLich e.V. als auch das Kino Traumstern, das dieses Jahr unter den brachenweiten Besucherrückgängen ebenso leidet wie viele andere Häuser, wirklich nicht lustig. Aus eigener Kraft tun wir in enger Zusammenarbeit viel dafür, das derzeitige Niveau zu erhalten und auszubauen. Ohne zusätzliche Unterstützung, z.B. von kommunaler Seite, sehe ich derzeit aber kaum eine Chance, weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Ihr seid eines der jüngsten Mitglieder der LAKS. Wie kamt ihr auf die Idee der LAKS Hessen beizutreten? Was hat sich seit dem Beitritt im Februar 2005 positiv verändert? Was vielleicht negativ? Ich glaube, inhaltlich und perspektivisch passen wir ganz gut zu den in der LAKS zusammengeschlossenen Zentren und diese umgekehrt zu uns, auch vor unserem Beitritt gab es schon längerfristig gute Kontakte zu vielen der Kolleginnen und Kollegen. Positiv können wir einiges bemerken, z.B. einen regen Informationsaustausch, z.T. gemeinsame Künstlerengagements zusammen mit anderen Zentren, die Nutzung der LAKS Internetpräsenz (u.a. darüber der Aufbau unserer Homepage, die politische Interessenvertretung, interessante persönliche Kontakte und last not least natürlich die wenn auch überschaubare Förderung durch das HMWK. Negativ ist uns - jenseits von Neulingshöflichkeiten - bislang noch nichts aufgefallen. Sehr gerne möchten wir die LAKS zu einem der nächsten Treffen hierher einladen und denjenigen, die noch nicht hier waren, vor Ort mehr Eindrücke zu ermöglichen. In diesem Rahmen tragen wir uns auch mit dem Gedanken, ein kleines Seminarprogramm - teilweise auch mit öffentlichen Veranstaltungen - anzubieten.

Du bist ja auch im Metropolis Projekt involviert, das dieser Tage sein 10 jähriges Bestehen feiert. Was verbirgt sich dahinter?

Das Metropolis Projekt ist ein Künstlerensemble aus dem Frankfurter Raum mit Colin Dunwoodie, Silvia Sauer und Ernst Seitz, das sich mit modernen Liververtonungen von Stummfilmen beschäftigt. Die Idee habe ich 1994 - übrigens im Kino Traumstern - gemeinsam mit den Musikern entwickelt: es geht weniger um herkömmliche Filmmusik als um eine zeitgenössisch interpretative Sicht auf die alten Bilder. Das ganze scheint ganz gut gelungen zu sein. Bis heute hat das Ensemble mit insgesamt rund 250 Konzerten in 32 Ländern Europas, Asiens und Amerikas eine schöne 'Karriere' hinter sich, eine Zeit lang haben wir ausschließlich davon leben können. Bis vor drei Jahren war ich als 'Mädchen für alles' mit von der Partie (Organisation, Technik, PR, Fahrer...), eine sehr reiseintensive und gute Zeit. Heute gehen wir getrennte Wege, sind aber nach wie vor eng befreundet.

Gibt es noch etwas, was ihr an dieser Stelle loswerden möchtet?

Eines der Grundprobleme soziokultureller Arbeit vor Ort ist nach wie vor die mangelnde finanzielle Ausstattung, insbesondere in provinzielleren Kommunen, die entweder nicht die Möglichkeiten haben oder keinen Sinn einer Förderung erkennen wollen. Entgegen allen Debatten über Subventionsabbau ist es wichtig, immer wieder das haarsträubende Missverhältnis zwischen der Förderung soziokultureller Arbeit und dem Wert deren Outputs auf der anderen Seite zur Sprache zu bringen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte: Marcel Scheffler und Bernd Hesse © 2005 LAKS Hessen e.V, www.laks.de