Ich frage nach der Wirkung und der Macht von Musik

Huldigung für den südafrikanischen Exilmusiker Johnny "Mbizo" Dyani

Vor einigen Monaten teilte uns ein junger Mann mit, er wolle eine Facharbeit über den südafrikanischen Exilmusiker Johnny "Mbizo" Dyani anfertigen. Inzwischen ist Felix Jansen, Jahrgang 1991, Schüler am Otto-Hahn-Gymnasium in Bergisch Gladbach, am Ziel seiner Recherchen. Die Arbeit "Johnny "Mbizo" Dyani - hat seine Musik Südafrika verändert?" ist fertiggestellt. Der Beitrag des absolut jüngsten Mitstreiters zur Musik des Johnny "Mbizo" Dyani wird jetzt in den Bestand des "International Jazz Archive Eisenach" eingearbeitet. Dort lagern Dokumente über die Musik Dyanis und weitere verdrängte Musiken.

Wie bist Du auf den Exilmusiker Johnny "Mbizo" Dyani gestossen und zu dem Entschluss, eine Facharbeit darüber zu schreiben?

Bei mir wurde das Interesse an Südafrika und besonders an seiner Musik bei einer Reise mit dem Entwicklungshilfeprojekt meiner Schule in dieses Land ausgelöst. Seit dem Besuch an der Mädchenschule Siyathemba, die wir durch die Einnahmen unserer Cafeteria mitfinanzieren, bin ich gefangen von der Mentalität, der Kultur und besonders der traditionellen Musik Südafrikas. Die ausgefeilten Rhythmen und eindrucksvollen, sich einprägenden Melodien haben mich nachhaltig beeindruckt. Hinzu kommt, dass ich selber Tenorsaxophon spiele und somit seit langem mit der Jazzmusik vertraut und an ihr interessiert bin.

Wie wirken sich Deine neuen Eindrücke aus?

Seit meiner Rückkehr aus Südafrika wurde ich schon mehrfach darauf angesprochen, dass meine Musik auf einmal sehr afrikanisch klingt. Bei der Reise fiel mir auf, wie die Musik ein Land beschreiben kann, seine Zustände und Veränderungen in Noten und Rhythmen widerspiegelt. Allerdings erschien mir die Musik im Allgemeinen als ein zu umfangreiches Thema für eine Facharbeit.

Wie bist Du weiter vorgegangen?

Ich begann damit, mich durch Recherchen mit der Geschichte südafrikanischer Musik und insbesondere der Jazzmusik vertraut zu machen. Dabei stieß ich auf eine Band namens "Blue Notes", die eine eindrucksvolle Geschichte erlebt zu haben schien. Mich faszinierte die Geschichte schwarzer und weißer Musiker in der von Diskriminierung strotzenden Zeit der Apartheid. Bei der Recherche ist mir besonders der junge Kontrabassist der "Blue Notes" Johnny Dyani aufgefallen. So begann ich, mich näher mit ihm zu beschäftigen. Beim Suchen und Finden von Quellen stieß ich auf die Gruppe "Kultur im Ghetto", die sich mit Dyani und seinem Projekt "Jazz gegen Apartheid" auseinandersetzt. Meine Leitfrage sollte sich demnach sowohl mit der Wirkung und der Macht von Musik, als auch mit Dyani auseinandersetzen. So entstanden Thema und Gliederung der Arbeit.

Wie dürfen wir uns Deine schulischen und gesellschaftlichen Aktivitäten vorstellen?

In der Schule spiele ich in der Big Band, bin stellvertretender Schülersprecher. Außerdem engagiere ich mich in der Schulcafeteria, deren Gewinn an die Siyathemba Girls High School in Dirkiesdorp geht. Über diese Arbeit bin ich auch zu meinem Aufenthalt in Südafrika gekommen. Dann bin ich in der Redaktion der Schülerzeitung. Außerhalb der Schule bin ich neben der Big Band noch in 3 anderen Gruppen: einer Musikschul Brass Band "Max Brassers", in einer Band mit Freunden, wo wir selbstgeschriebene Stücke spielen "Mesmerizing Prefabs" und bei einem Projekt einer anderen Schule. Daneben spiele ich Tennis, trage Zeitungen aus, gebe Nachhilfe und nehme neuerdings noch ein bisschen Klavierunterricht. Sonst höre ich viel Musik, treffe mich mit Freunden und ähnliches.

Wie würdest Du uns Deine Vorstellungen von einer musikalischen Ästhetik verdeutlichen?

Nun ja. Meiner Meinung nach muss Musik Instrumente verwenden. Techno etc. ist vielleicht mal auf ´ner Party ganz gut, aber sonst würde ich mir solche Musik nie anhören. Musikalische Ästhetik kann entweder durch besondere Kompositionen, besondere Fertigkeiten der Musiker oder gute Texte entstehen. Aber eigentlich muss von allem etwas da sein: Musik sollte Gefühle ausdrücken und auch beim Hörer auslösen können. Aber was für mich auch immer deutlich sein muss, ist, dass die Musiker Spaß bei der Arbeit haben. Man hört schnell, wenn Lieder erzwungen wurden und wann sie auch den Musikern wirklich gefallen. Musikalische Ästhetik kann meiner Meinung nach in jeder Musik erreicht werden, in Klassik und Jazz wie in Brass, Rock, Pop, teilweise Hip-Hop und Metal etc.

Findest Du Dich mit Deinen Vorstellungen wieder in einer Welt, die alle Lösungen für Menschen Deines Alters als "Jugendkultur" schon bereithält?

Schwere Frage... Also, teilweise findet man sich wieder, teilweise nicht. Wenn man mit Freunden spricht, die wirklich der gleichen Kultur angehören, wie man selber, hat man die gleichen Interessen und auch die gleichen Vorstellungen von Politik, Musik, Sport und so weiter. Aber auch in diesen Bereichen findet man selbst mit guten Freunden oft Differenzen in den Vorstellungen. Dann kann es auch mal vorkommen, dass man sich nicht verstanden fühlt. Meiner Meinung nach kann man aber vor allem nicht generell von einer existierenden Jugendkultur sprechen. Begriffe wie dieser und die Vorstellung, die mit ihnen verbunden sind werden normalerweise von Leuten gemacht, die ihrer Jugend lange entwachsen sind. Man kann nicht von der Jugendkultur sprechen, da die Jugendlichen zu verschieden sind.

Verschiedene Lebensumstände, Heimatstädte, Möglichkeiten und auch Musikgeschmäcker formen überall unterschiedliche "Kulturen". Diese "Kulturen" entwickeln sich ständig weiter, wie auch die Umstände aus denen sie geboren werden. Somit kann man als Jugendlicher nur selten eine Lösung finden, zumal viele Jugendliche auch zwischen Kulturen hin und hergerissen sind. Demnach muss ich sagen, dass man seine Vorstellungen nur zu Teilen in der Welt bestätigt findet.

Macht es Freude, sich sein eigenes Urteil zu bilden? Oder ist es nicht leichter, sich im mainstream - Kant würde sagen in der selbstverschuldeten Unmündigkeit - zu bewegen?

Ich möchte Kant nicht widersprechen, ich persönlich finde es meistens interessanter, sich ein eigenes Bild zu machen. Später, wenn man mit dem eigenen nicht einverstanden ist, kann man notfalls zum Mainstream zurückkehren, aber ich glaube es ist wichtig, nicht blind allen alles zu glauben.

Du sagst in Deiner Arbeit, dass Musik ein Land beschreiben, seine Zustände und Veränderungen in Noten und Rhythmen widerspiegeln kann. Gilt das auch für unser eigenes Land? Wo Findest du Dich wieder in der gegenwärtigen Musikwelt unseres Landes?

Für die Beschreibung des Landes muss man vielleicht schon etwas weiter zurückblicken, aber auch Deutschland ist meiner Meinung nach in vielen Liedern durch Noten und Rhythmen aber auch durch Texte verkörpert. Anders als in Südafrika dient dazu hier zu Lande vielleicht eher die Klassikmusik, aber eben auch Musik. Deutschland ist für mich zum Beispiel bei Beethoven, Bach oder auch Brahms beschrieben. Die Komponisten wählen darin bestimmte Instrumente, Themen etc. die verschiedene Aspekte ihrer Heimat verkörpern. Aber auch neuere Lieder beschreiben das Land, oder zumindest bestimmte Teile sehr ansehnlich, was zum Beispiel zahlreiche Hymnen an verschiedene Heimatstädte deutlich machen (Köln, Bochum, ...) Ein zentrales Lied, dass für mich auch Deutschland beschreibt, ist auch Wind of Change, welches auch Leuten, die die Wende nicht miterlebten, eine Ahnung davon gibt, wie das Leben früher war. Wir selber können uns meiner Meinung nach mit vielen verschiedenen Songs identifizieren, sie rufen Erinnerungen, Bilder hervor. Das ist es, was ich auch in der Facharbeit beschreiben wollte.

Du führst in Deiner Arbeit viele Beispiele auf, wie Johnny "Mbizo" Dyani mit seiner Musik sowohl die europäische Musik, den politischen Kampf gegen Apartheid, als auch letztendlich Südafrika veränderte. Wie schätzt Du - nach der intensiven Beschäftigung mit dem Thema - die Chance ein, dass sich das neue Südafrika die ins Exil verdrängte Musik zurückholt.

Ich glaube die Chancen stehen nicht schlecht. Erste Schritte sind bereits eingeleitet. Exilmusiker wie Abdullah Ibrahim oder Louis Moholo sind ja bereits in ihre Heimat zurückgekehrt. Veranstaltungen wie das Cape Town Jazz Festival locken Musiker aus der ganzen Welt an. Leider muss ich dennoch sagen, dass ich von der Jazzmusik selber während den 2 Wochen in Südafrika nichts mitbekommen habe, was aber wahrscheinlich daran liegt, dass ich durch große Städte wie Johannesburg oder Pretoria nur durchgefahren bin. Auf dem Land in Mpumalanga habe ich hauptsächlich traditionelle Zulumusik gehört.

Eine große Chance, die Jazzmusik in Südafrika wieder populärer zu machen, sehe ich auch in der kommenden Fußballweltmeisterschaft. Anlässe wie diese schaffen es oft, das eigene Volk wieder enger aneinanderzuführen. Ich kann mir vorstellen, dass die WM für viele Exilmusiker ein Grund sein könnte, wieder nach Südafrika zurückzukehren, dass aber auch die Organisatoren daran interessiert sein werden sie zurückzuholen. Somit könnte die Musik der Blue Notes und Co. auch in Südafrika selbst wieder populärer werden.

Deine Facharbeit Johnny "Mbizo" Dyani - hat seine Musik Südafrika verändert? wird in den Bestand des "International Jazz Archive Eisenach" eingearbeitet. Welche weiterreichenden Hoffnungen verbindest du mit dieser Arbeit?

Direkte Hoffnungen habe ich eigentlich nicht. Ich fand die Zeit der Arbeit sehr interessant. Es hat mir Spaß gemacht mich in das Thema einzuarbeiten und ich habe viel gelernt. Beim Verfassen der Arbeit und dem Hören zahlreicher Beispielmusik haben sich mein Interesse und meine Kenntnisse über die Musik Südafrikas weiterentwickelt. Eine Hoffnung könnte es vielleicht sein, dass sich weitere junge Leute wieder mehr für Jazzmusik interessieren, auch wenn ich heute schon viele jazzbegeisterte Jugendliche kenne. Ich hoffe meine Facharbeit wird im Jazzarchiv nicht allzu kläglich wirken und ich würde mich freuen wenn andere Leute an meiner Arbeit ähnlich viel Spaß haben würden wie ich beim Erstellen jener.

Letzte Frage: Kennst Du die Darmstädter Jazz Conceptions, die vom 23. bis 28. Juni 2008 zum 17.Mal stattfinden? Sie gehören zu den nachhaltigsten Veranstaltungen, an denen wir in Hessen beteiligt sind. Hättest du Lust daran teilzunehmen?

Also, ich kannte die Jazz Conceptions nicht. Generell hätte ich großes Interesse teilzunehmen, allerdings habe ich zu der Zeit noch Schule. Wahrscheinlich geht es daher nicht...

Lieber Felix, danke für die erfrischende Begegnung und für dieses Gespräch.

Das Interview führte: Jürgen Leinhos © 2008 LAKS Hessen e.V, www.laks.de