Soziokulturelle Produktionen haben die längste Nachwirkung im Vergleich zu anderen Kulturevents

Regisseur, Schauspieler, Initiator: Klaus Huhle

ZEIT ZU BLEIBEN ist ein soziokulturelles Projekt der Begegnung. Mit Kunst und Kreativität nähert sich die Produktion einem der wichtigsten Themen der heutigen Gesellschaft, der Entwicklung Deutschlands zum Einwanderungsland. Im LAKS-Interview äußert sich Initiator und Regisseur Klaus Huhle am Beispiel dieser multimedialen Großproduktion zu Entstehung, Chancen und Problemen derartiger integrativer Projekte.

Klaus, dein aktuelles Projekt "Zeit zu bleiben" ist gerade mit dem Integrationspreis der Stadt Wiesbaden ausgezeichnet worden. Was und wer verbirgt sich hinter dem Projekt?

Dahinter verbirgt sich ein großes multimediales Theaterprojekt mit 80 SpielerInnen aus über 20 Nationen, produziert wurde es von der Werkstatt für Bühne und Film e.V. und dem Caritasverband Wiesbaden-Rheingau-Taunus. Regie führten Leila Haas und ich. Die Vorbereitungszeit betrug drei Jahre. Ausgezeichnet wurde es mit dem Integrationspreis Wiesbaden 2008, der Anerkennungsurkunde des Landes Hessen für besonderes soziales Engagement, und Biebrich wurde - als einziger Vorort übrigens - als "Ort der Vielfalt" in Berlin ausgezeichnet, wobei "Zeit zu bleiben" eine große Rolle spielte.

Wie seid ihr zu dem Thema gekommen und wie habt ihr es bearbeitet? Wer war alles beteiligt?

Die neuere Migrationsgeschichte ist jetzt 50 Jahre alt, interkulturelles Denken hat lange auf sich warten lassen, aber setzt sich so langsam durch. Dazu gehört sowohl die historische Betrachtung der Gastarbeiterepoche als auch die aktuelle Situationsbeschreibung. Die Caritas als größter Migrationsträger in Wiesbaden kam auf mich mit diesem Thema zu. Nach meiner letzten großen soziokulturellen Theaterproduktion in Wiesbaden (Parzival 2005) sollte wieder etwas theatermäßig geschehen, was viele Menschen einbezieht und berührt.

Welche Resonanzen und Erfahrungen nimmst du / nehmt ihr aus dem Projekt mit?

Es war sehr schwer, das Ensemble zusammenzustellen, da bisher nichts ähnliches Internationales auf soziokulturellem Theatergebiet in Wiesbaden gelaufen war. Das Stück hatte eine einhellig positive Resonanz, nur darum ist es möglich, eine Wiederaufnahme mit fast allen SpielerInnen durchzuführen. Wenn die interkulturelle Theaterarbeit fortgesetzt und etabliert werden kann, wäre es eine unglaubliche Chance und Bereicherung für Wiesbaden und speziell Wiesbaden-Biebrich.

Du selber bist sowohl Kulturveranstalter wie auch Schauspieler und Regisseur. Auch in deinen Projekten bringst du verschiedene Genres, Medien und Akteure zusammen und bist stets auf der Suche nach neuen Themen und Orten. Was treibt dich an und um?

Spurensuche und soziokulturelle Theaterarbeit ist ein favorisiertes Thema von mir geworden, die ich neben meinen professionellen Ensembles nicht missen will. Die Veranstaltungsarbeit läuft zur Zeit etwas nebenher, das möchte ich aber unbedingt wieder stärker berücksichtigen. Gerade sind Leila Haas und ich mit der Stadt Wiesbaden in Diskussion über die Gründung eines internationalen Theaterhauses in Wiesbaden-Biebrich direkt am Rhein. Dort könnten ein Gastspielbetrieb und eine Produktionsstätte für neue soziokulturelle und professionelle Theaterproduktionen einen Platz finden.

Projekte haben definitionsgemäß einen Anfang und ein Ende. Sind solche künstlerischen Projekte damit singuläre Events und vorübergehende "Eintagsfliegen? Oder welche mittel- bis langfristigen Wirkungen können sich deiner Einschätzung entfalten?

Soziokulturelle Produktionen haben die längste Nachwirkung im Vergleich zu anderen Kulturevents. Direktheit, Eingebundenheit und politische Aktualität sind dafür verantwortlich. Ehrenamtlichkeit und professionelle Begleitung haben auf diesem Gebiet riesige Chancen, sich zu begegnen. Die Aufgabe jeder Kommune sollte es sein, regelmäßig soziokulturelle Großtheaterproduktionen anzufragen und zentral zu fördern. Hilfreich wären neben finanzieller Förderung auch Unterstützung bei Haftung oder Abrechnung. Auch von Landesseite wären ähnliche Impulse notwendig und bürgernah. Leider ist die Realität eine andere: Die Produzenten soziokultureller Projekte müssen meistens mühsam und zeitintensiv über unzählige Förderquellen Kleinarbeit leisten, bevor sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen können. Wir haben zwei Jahre für die Finanzierung von "Zeit zu bleiben" gebraucht.

Gibt es sonst noch etwas, was du an dieser Stelle loswerden möchtest?

Ich wünsche mir eine regelmäßige internationale Theaterarbeit in Wiesbaden, eine kontinuierliche Projektarbeit, das Einbeziehen der Muttersprachen in die Produktionen und erstmal gutes Gelingen für die Wiederaufnahme im Mai.

Klaus, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte: Bernd Hesse © 2009 LAKS Hessen e.V, www.laks.de