VENI, VIDI, WIRKI

Christine Knüppel, Geschäftsführerin Kulturzentrum Schlachthof in Kassel

Soziokultur wirkt! Aus dieser gefühlten und gelebten Überzeugung heraus engagieren sich Tausende von haupt-, neben- oder ehrenamtlich Aktiven allein in den 500 soziokulturellen Zentren und Initiativen in ganz Deutschland, die in der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren zusammen geschlossen sind. Doch lassen sich die Wirkungen dieses Engagements immer klar erkennen und benennen? Lassen sich die Ergebnisse der Arbeit erfassen? Reichen einfache quantitative Indikatoren wie Anzahl der Veranstaltungen, Zuschauer- und Nutzer- oder Umsatzahlen aus? Helfen sie überhaupt weiter? Oder braucht es weitere oder ganz andere Indikatoren, um die verschiedenen Wirkungen und Qualitäten soziokultureller Arbeit bei Struktur-, Ergebnis- und Prozessqualität abbilden zu können? Und welchen Zeitraum benötigt es eigentlich, um Wirkungen seriös erkennen und bewerten zu können? Einen Monat, ein Jahr, zehn Jahre? Oder wartet man besser noch ein, zwei Jahrhunderte, um in der historischen Rückschau über das in Relation zur Menschheitsgeschichte noch junge Pflänzlein Soziokultur zu werten? Und überhaupt: Müssen Wirkungen überhaupt evaluiert werden? Sind nicht die Freiheit von Kunst und Kultur, die Ungebundenheit von profaner Zweckerreichung Eigenwerte, die es anzustreben gilt? Fragen über Fragen!

Allein schon die Frage nach der Kausalität, also des Zusammenspiels zwischen einzelner Ursache und Wirkung, geriert sich schon recht komplex. Dabei muss man noch nicht einmal ins Philosophische, z.B. zu Aristoteles, driften, um darüber hinaus zu merken: Es reicht nicht, von einzelnen und isolierten Wirkungen zu sprechen, die sich - ausgehend von bestimmten Ursachen - gezielt mechanisch und linear kausal herstellen lassen. Denn - auch wenn das nicht immer sofort sicht- und wahrnehmbar ist - Soziokulturelle Zentren sind weit mehr als bloße Veranstaltungseinrichtungen. Vielmehr entfalten sie über ihre individuellen und ausdifferenzierten Angebots- und Leistungsspektren ein Wirkungsgeflecht. Mit diesen besonderen Stärken (und Schwächen) stellen sie einen absolut eigenständigen und besonderen Einrichtungstypus dar. Doch wie lassen sich diese Zusammenspiele, die - beabsichtigten oder zufälligen - wechselseitigen Aspekte analysieren und evaluieren? Was bedeutet das für die Arbeit der Akteure? Und was für die politisch Verantwortlichen? Wo sind wann welche Stellschrauben zu drehen, um die bestmöglichen Wirkungen zu ermöglichen? Noch mehr Fragen!

Und die Beantwortung fällt - zumindest teilweise - alles andere als leicht. Denn in ihren konkreten Organisations- und Programmstrukturen zeigen sich soziokulturelle Zentren sehr unterschiedlich, wie auch der folgende Beitrag von Thomas Strittmatter vertieft. Zu grob oder falsch gerasterte Systematisierungs- und Evaluationsversuche müssen also zwangsläufig ins Leere laufen. Dennoch lassen sich gewisse Übereinstimmungen in der Arbeits- und Wirkungsweise soziokultureller Einrichtungen feststellen. So ist allen Zentren Anspruch und Umsetzung von "Vielfalt" gemeinsam, als Prinzip, Konzept, Methode. Vielfalt bei den Angeboten, der Umsetzung oder den Zielgruppen. Ebenso gehört eine gewisse "tradierte programmatische Zielstellung" zu den "Basics": Soziokulturelle Arbeit ist weit mehr als bloße marktorientierte Veranstaltungsarbeit, sondern sie hat eine Ausrichtung explizit auf die Gesellschaft, die sich beispielsweise in Nutzerorientierung oder einem integrativen und vermittelnden Charakter - zwischen Generationen, Schichten oder Sparten, zwischen unterschiedlichen religiösen, ethnischen oder subkulturellen Hintergründen - äußert. Und sie haben eine starke Ausrichtung auf das jeweilige örtliche wie sozialräumliche Umfeld.

Im Folgenden sollen die beabsichtigen wie erreichten Wirkungen exemplarisch an einem realen Beispiel veranschaulicht werden. Dabei haben wir bewusst auf eine Einrichtung, das Kulturzentrum Schlachthof in Kassel, fokussiert, um in der Darstellung besser in die Tiefe gehen zu können. Antworten gibt Christine Knüppel, die seit 1977, also von Beginn an, bei dem Verein aktiv ist und seit 1985 als Geschäftsführerin wirkt.

Christine, zum Einstieg, sozusagen als Überbau: Worin seht ihr eure programmatische Ausrichtung des "Gesamtkunstwerks Kulturzentrum Schlachthof"?

Zentrale Grundlage ist auch nach 30 Jahren ein erweiterter Begriff von KULTUR. Stichworte sind nach wie vor Kultur für alle, Partizipation und Selbstbestimmung, Förderung von Eigentätigkeit und Kreativität. Ziele sind Förderung von Dialog und Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft, die Entfaltung kultureller Vielfalt, die Unterstützung von individueller und gesellschaftlicher Integration sowie die kulturelle Belebung des Stadtteils.

Wie setzt ihr den Anspruch von Vielfalt in konkrete Praxis um?

Der Schlachthof ist zum einen ein attraktiver und dynamischer Veranstaltungsort für Kassel und die Region, mit einen spannenden Programm, das vom internationalen Jazzhighlight bis zur Breakdance-Präsentation von Jugendlichen aus dem Stadtteil reicht. Darüber hinaus hat sich ein breites Spektrum von Bildungs- und Beratungsangeboten entwickelt. Dazu gehören unter anderem Sprachkurse, Maßnahmen zur beruflichen Orientierung und Qualifizierung, interkulturelle Vermittlung, Angebote für zugewanderte Eltern, Schulden- und Insolvenzberatung, Beratung von Gewerbetreibenden, Jugendarbeit mit Freizeitangeboten, Medien- und Musikprojekte, kulturelle Bildung in Kulturwerkstätten mit Künstlerinnen und Künstlern und vieles andere mehr.

Auf welches Umfeld bezieht ihr eure Aktivitäten?

Die Aktivitäten sind in erster Linie stadt- bzw. stadtteilbezogen. Sie sind auf die jeweiligen Sozialräume und Lebenswelten der unterschiedlichen Ziel- und Nutzergruppen ausgerichtet. Dabei reicht das Spektrum von Menschen aus der direkten Nachbarschaft bis hin zu Kindergärten, lokalen Betrieben über Kultureinrichtungen von Hoch-, Club- oder Breitenkultur bis hin zum Stadtkrankenhaus, um nur einige wenige zu nennen. Aus diesen verschiedenen Aktivitäten ergibt sich weitreichendes und dichtes Geflecht von Partnern in lokalen oder auch überregionalen Netzwerken, die zu Kooperationspartnern geworden sind. Das entwickelt sich beständig und differenziert sich ständig weiter aus.

Welche kurz-, mittel- und langfristigen Wirkungen beabsichtigt ihr mit eurer Arbeit im Allgemeinen, welche in speziellen Tätigkeitsfeldern?

Die Antworten auf diese Frage sind so komplex und vielschichtig, dass sie in dem hier gebotenen Platz bestenfalls angerissen werden können.

Langfristig geht es ganz allgemein immer um Partizipation von Menschen in einem soziokulturellen Sinn. Das bedeutet, Menschen zu befähigen und zu ermuntern, selber aktiv zu werden und nach Möglichkeit ihre eigene Lebenssituation oder die anderer zu gestalten und zu verbessern. Das gilt für private wie berufliche Aspekte. Für uns ist wichtig, dass der Schlachthof eine kontinuierliche und verlässliche Anlaufstelle und Adresse für sozialraumbezogene oder stadtgesellschaftliche Prozesse und Aktivitäten unterschiedlicher Art darstellt und genutzt wird. Dabei haben wir oft die Rolle eines Pioniers angenommen oder annehmen müssen, wobei es unser Anspruch ist, dass sich derartige Aktivitäten verstetigen, dass neue Angebote also zur Selbstverständlichkeit werden.

Aber zu der konkreten Frage zurück: Das differenziert beantworten zu können, bedarf es mindestens einer Examensarbeit.

Genau wegen dieser sehr komplexen Handlungsfelder im Praxisfeld Soziokultur ist es sinnvoll, sich ein Themenfeld heraus zu greifen und etwas genauer zu betrachten.Aus eurer Geschichte heraus ist der Themenbereich Interkultur vergleichsweise stark ausgeprägt...

Das stimmt. Als es darum ging, feste Räumlichkeiten für unsere Arbeit zu erstreiten, waren Migranten der ersten Generation aktiv dabei und hatten danach auch feste Räumlichkeiten im Schlachthof. Mit ihren Aktivitäten haben sie den Charakter des Schlachthofs mit geprägt, und in der Folge war und ist Interkultur für uns ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit.

Unter der "Wirkungsabsicht Partizipation" betrachtet, heißt das für den interkulturellen Bereich, in unserer Zuwanderungsgesellschaft Teilhabe im Sinne einer gleichberechtigten Kommunikation aller Beteiligten zu ermöglichen. Durch Einbindung und Beteiligung von Migrantenzusammenschlüssen, durch interdisziplinäre Arbeitsweise und den Aufbau von dichten Kooperationsnetzen - sozialräumlich und stadtweit - steht das Kulturzentrum für eine beispielhafte interkulturelle Praxis. Im Veranstaltungsbereich heißt das für uns, dass es seit Anfang an zu unserem Selbstverständnis gehört hat, die musikalischen Wurzeln der Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, als selbstverständlichen und festen Bestandteil anzubieten. Im Lauf der Jahre hat hier natürlich eine Entwicklung stattgefunden; die künstlerischen und kulturellen Ausdrucksformen der zweiten oder dritten Generation sind teils ganz andere als die der ersten Generation. Wichtig war uns dann aber auch, die Begegnung und wechselseitigen Beeinflussungen von Stilistiken, Genres und Musikern zu befördern. So war es schon vor über 20 Jahren selbstverständlich, dass deutsche Jazzmusiker und Literaten gemeinsam mit eritreischen Musikern Schuberts Winterreise als szenische Collage inszenieren.

Als weiteres Beispiel sei die Ausbildung von 25 Frauen unterschiedlicher Herkunft zu interkulturellen Vermittlerinnen, einem von uns durchgeführten EU-Modellprojekt, genannt. Sie sollen dazu beitragen, dass in Konflikt- oder Beratungssituationen - sei es beim Jugendamt, im Frauenhaus, im Mieterbeirat oder in der Kinder- und Jugendpsychiatrie - kulturspezifische Perspektiven, Wünsche und Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt werden. Eine sich anschließende Beratung des Städtischen Klinikums durch den Schlachthof führte zu der Einrichtung eines internen Dolmetscher- und Vermittlungsdienstes und einer Vielzahl von kleinen und größeren Veränderungen im Krankenhausalltag im Sinne einer kultursensiblen Pflege. Daraus folgte im Klinikum auch eine Sensibilität für Alltagsaspekte, die wiederum zu konkreten Verbesserungen führte, z.B. wurde die Speisekarte im Krankenhaus um Symbole ergänzt, die einen schnellen Überblick auch für Muslime erlauben.

In ähnlicher Weise hat das Projekt "Aktive Eltern" auf den von Kita- und Grundschulleiterinnen an das Kulturzentrum Schlachthof herangetragenen Bedarf und die Notwendigkeit einer Elternarbeit für zugewanderte Familien reagiert. Angebote wie Mutter-Kind-Gruppen, Frühförderung in U3-Gruppen, Sprachförderung in Kitas, muttersprachlich begleitete Infoveranstaltungen, Elterncafés u.a. haben in den vergangenen drei Jahren 1.023 Kinder, rund 1.000 Mütter und Väter in 2 Moscheen, 16 Kindertagesstätten und 3 Schulen erreicht. Dieser Ansatz einer interkulturellen Elternarbeit ist inzwischen in Empfehlungen des Hessischen Sozialministeriums für Sprachförderprogramme im Vorschulbereich eingeflossen. Zudem führen wir das Projekt als eines der Leuchtturmprojekte im von der Stadt Kassel initiierten stadtgesellschaftlichen Prozess zum Umgang mit dem demografischen Wandel durch.

Als letztes etwas ausführlicheres Beispiel für diesen Bereich möchte ich die "Lokale Ökonomie" nennen. Bei diesem Projekt ging es darum, arbeitslose Menschen mit hier ansässigen (Klein-)Betrieben, die mehrheitlich von Menschen mit Migrationshintergrund betrieben werden, zusammen zu bringen. Bei der niedrigschwelligen Betriebsberatung musste festgestellt werden, dass dringlicher die Frage des bloßen Existenzerhaltes im Vordergrund stand. Im dann veränderten Projektverlauf hat der Schlachthof eine Lotsen- und Brückenfunktion eingenommen, weil klassische Verbände wie die IHK oder Wirtschaftförderung von diesen Bevölkerungsgruppen nahezu nicht wahrgenommen und genutzt wurden. Als Beratungsstelle vor Ort für ein Investitionsprogramm zur wirtschaftlichen und sozialen Wiederbelegung von "Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf" wurden mit dem Schlachthof als Schnittstelle mit 1 Mio Fördermitteln insgesamt Maßnahmen mit einem Investitionsvolumen von 5,6 Millionen Euro ausgelöst. 139 Arbeitsplätze konnten gesichert sowie 161 Arbeitsplätze und 33 Ausbildungsplätze neu geschaffen werden. Mit dieser Bilanz ist es keine Frage, dass das Kulturzentrum auch für das Nachfolgeprogramm als Kooperationspartner vorgesehen ist und im Austausch mit dem Wirtschaftsministerium als Beratungsinstanz für einen Herbstworkshop, der sich alle hessischen Kommunen im Förderprogramm richtet, beteiligt sein soll. Kleine Nebenbemerkung: Einige offizielle Stellen haben uns übrigens erst dann richtig ernst genommen, als nach vier Jahren Projektphase diese gute Quote an Existenz- und Betriebssicherungen sowie neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze erreicht worden war.

Und es gäbe noch viel mehr zu erwähnen: Zum Beispiel unser Weltmusikfestival, das jährlich die Hauptgeschäftsstelle einer Kasseler Bank in eine brodelnde Konzertatmosphäre taucht. Oder die mehrfach ausgezeichneten interkulturellen Beteiligungsfilmprojekte des türkischen Regisseurs Mustafa Gündar in Zusammenarbeit mit dem Jugendzentrum Schlachthof. Oder selbstverständlich unser Internationales Frühlingsfest, das am kommenden Wochenende bei hoffentlich gutem Wetter wie gewohnt mehrere Tausend Menschen zu einem bunten Fest zusammen führt. Und das wie immer von vielen Migrantenorganisationen in und um unser Kulturzentrum mitgestaltet wird, die wiederum durch die Einnahmen ihre Vereinsarbeit stärken können.

Ein schöner Kreislauf. Um die Wechselwirkungen mit anderen Bereichen im Haus deutlich zu machen, kommen wir noch - zumindest ansatzweise - zu einem weiteren Thema, dem Bereich "Bürgergesellschaft".

Bleiben wir bei dem Beispiel "Aktive Eltern": In dem genannten Arbeitsprozess wurden zunehmend auch Fragen des demografischen Wandels wichtig. Nicht nur die Erzieherinnen sollten befähigt werden für eine sensiblere fachliche Arbeit, sondern auch die Aktivierung der Eltern wurde verstärkt. Ziel war, dass sich alle verantwortlich fühlen für ihr eigenes Lebensumfeld. Banales Beispiel: Teilnahme an Müllaktionen wie "Sauberhafte Ahne".

Als weiteres Beispiel sei die documenta 12 im Jahr 2007 genannt. Die umfassende Kooperation eines lokalen soziokulturellen Zentrums - dem Schlachthof - mit einer weltweit beachteten Ausstellung für zeitgenössische Kunst hat über die Aktivitäten des documenta 12-Beirats bürgerschaftliches Engagement in vielfältiger Weise ausgelöst. Mit dem so genannten "Bildungszelt", das zwischen unseren beiden Gebäuden während der Dauer der documenta aufgebaut war, boten wir zu dem Themenkomplex "Bildung - Migration -Ausgrenzung" eine Diskussionsplattform an. Wir konnten viele unterschiedliche Akteure, Einrichtungen oder Betroffene mobilisieren, die dann als Experten inhaltlich und organisatorisch arbeiteten und sehr viele, sehr unterschiedliche und sehr spannende Aktivitäten entfalteten. Darüber hinaus gab es noch viele andere Maßnahmen, die darauf abzielten, verschiedene Zugänge zu und durch Kunst zu öffnen für Menschen, die sich sonst eher nicht von einer Weltkunstausstellung angezogen fühlen.

Wie messt ihr den Erfolg? Was lässt sich mit "harten Fakten" belegen, wo bleibt das eher gefühlt oder vermutet? Haben sich in den bisherigen 30 Jahren eurer Arbeit Veränderungen in den Zielen und in den beabsichtigten und den tatsächlich erreichten Wirkungen ergeben?

Für uns war wichtig zu lernen, nicht immer nur etwas auf den Weg zu bringen, sondern immer wieder auch zu schauen, "was kommt hinten raus"? Aber auch durch Vorgabe der Fördermittelgeber werden wir gezwungen, über die erreichten Wirkungen zu reflektieren. Das sind teilweise je nach Projekt und Aktivität ganz banal Teilnehmerzahlen oder eben, wie oben für das Projekt "Lokale Ökonomie" beschrieben, die Anzahl der Vermittlung in Arbeitsplätze.

Aber darüber hinaus ist eine differenzierte Betrachtung und Auswertung wichtig. Wenn zum Beispiel "schwierige" Jugendliche über Trainings selber zu Konfliktschlichtern werden, ist das beispielsweise ein Riesenerfolg, unabhängig von irgendeiner messbaren Quote. Solche Ergebnisse lassen sich aber nicht im Voraus garantieren - derartige Versprechungen wären unseriös - und eignen sich also nicht oder nur sehr eingeschränkt als Zielvorgabe.

Grundsätzlich muss man sagen, dass in der großen Vielfalt der Angebote und Aktivitäten, die Bewertung und damit auch Indikatoren ganz unterschiedlich ausfallen. Es muss also bei Evaluation und Ergebnisprüfung immer darauf geachtet werden, passende Indikatoren zu vereinbaren und zu setzen. Passend beispielsweise für das Thema, die Zielgruppe oder die ausgewählte Methodik für die Umsetzung. Für den Bereich Interkultur könnten das im Programmarbeit u.a. die Anzahl und Qualität Veranstaltungen oder die Anzahl und Mischung des Publikum sein. Wobei letzteres quantitativ schwer zu ermitteln ist, will man nicht über eine Besucherbefragung mit eher trennenden Fragen wie "Haben Sie einen Migrationshintergrund" eruieren. Hier ist sicherlich auch eine Einschätzung der zuständigen Mitarbeiter "aus dem Bauch" und in Kenntnis der Nutzer und des Umfelds wichtig. Und ebenfalls sehr wichtig: In der Personalstruktur der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lässt sich ablesen, inwieweit dieser Anspruch ernsthaft umgesetzt und gelebt wird. Habe ich einen rein deutschen Mitarbeiterstamm, der Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund anbietet? Oder sind die entsprechenden Stellen - auch leitende Positionen - ganz selbstverständlich auch mit Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen besetzt?

Zur Frage des Erfolgs: Für uns ist die Tatsache, dass wir in manchen Bereichen oft große Nachfrage und lange Wartelisten haben, ein sichtbarer Ausdruck, dass unsere Angebote von den Menschen, für die wir sie machen, wahrgenommen und genutzt werden. Und Zeichen des Erfolgs im Sinne qualitätsvoller Arbeit ist sicherlich ebenfalls, dass wir zunehmend als Fachberater von kommunaler oder Landesseite einbezogen werden und auch in lokalen Netzwerken oft eine federführende Rolle einnehmen sollen. Ganz nebenbei haben wir als Einrichtung oder unsere Projekte viele Preise gewonnen, z.B. Beteiligungsfilmprojekte zum Thema Gewaltprävention.

Typisch für euch wie für andere Soziokulturelle Zentren ist, dass eure Leistungen über das Veranstaltungsangebot nur eingeschränkt bekannt sind. So hört man immer mal wieder: "Ich hab gar nicht gewusst, dass der Schlachthof auch so was macht". Sind die Leistungen und die Wirkungen denen bekannt, die sie kennen sollten?

Der reine Konzertbesucher oder die breite Öffentlichkeit weiß davon sicherlich eher wenig. In den jeweiligen Fachöffentlichkeiten ist das aber schon weitgehend der Fall. Nicht zuletzt deswegen werden wir, wie oben beschrieben, in vielen Bereichen als Experten gefragt oder eingebunden und in viele Gremien und Beiräte berufen.

Ihr seid mit teils sehr unterschiedlichen Arbeitsbereichen sehr breit aufgestellt. Dabei tut ihr vieles, was auch andere, wenngleich spezialisierter, tun. Wo liegen Vor- und Nachteile eines solchen "Gemischtwarenladens"? Wo findet eine wechselseitige Befruchtung statt, wo steht man sich bisweilen eher selbst im Weg?

Der Vorteil ist, dass wir ganzheitlich und interdisziplinär an Dinge herangehen, dass wir gewohnt sind, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. Dadurch können wir sensibilisieren und einen aktiven Part für integrierte Handlungskonzepte einbringen und übernehmen. Erkenntnisse, die wir in einem Arbeitsbereich haben, stellen sich bisweilen als sehr nutzbringend für andere Bereiche heraus. Bei einer vielfach noch nicht so ausgeprägten ressortübergreifenden Denk- und Arbeitsweise ist diese "Verlinkungsfähigkeit" sehr wichtig. Ein Nachteil ist sicherlich, dass die sehr unterschiedlichen Anforderungen insgesamt einen dauerhaften und nicht einfachen Spagat darstellen. Dabei stellt es übrigens eine ständige und nicht zu unterschätzende innerbetriebliche Herausforderung dar, den Austausch zwischen den verschiedenen Bereichen und den unterschiedlichen haupt-, neben- und ehrenamtlichen Mitarbeitern klar und transparent zu gestalten.

Sind eure Arbeitsbedingungen so, dass sich dieses Wirkungsgeflecht gut entwickeln kann?

Lobend muss man erwähnen, dass sich nach 30 Jahre Kulturzentrum Schlachthof über die Stadt Kassel eine Grundsicherung ergeben hat. Diese Grundsicherung ist die Basis, um Fördermittel einzuwerben, denn - wie bei fast allen soziokulturellen Zentren - kann ein Großteil des Angebotsspektrums nur über zusätzliche und nicht selten befristete Projektförderungen gewährleistet werden kann. Die Planungsunsicherheit ist hinsichtlich inhaltlicher Weiterentwicklungen und der Unsicherheiten für Mitarbeiter recht problematisch.

Bezogen auf das Wirkungsgeflecht ist dieser Zwang zu ständiger Weiterentwicklung und neuen Ideen ambivalent: Nicht selten sind wir gezwungen, Projekte einzustellen, anstelle im Sinne einer Verstetigung und Weiterentwicklung und damit einer Nachhaltigkeit Aktivitäten fortführen zu können. Positiv ist allerdings, dass wir uns über die verschiedenen Aktivitäten weit über einen "Gemischtwarenladen" hinaus insgesamt in verschiedenen Teilbereichen profilieren können, so dass wir beispielsweise seitens der Stadt Kassel zunehmend als Fachberater "ins Boot geholt" werden. Hier kann man andere Kommunen nur ermutigen, sich der Kompetenz und Erfahrungen anderer soziokultureller Zentren und ihrer Mitarbeiter zu bedienen.

Grundsätzlich muss man aber sagen: Die bereits genannte Planungsunsicherheit und Unkalkulierbarkeit von Drittmittel- bzw. Projektmittelakquise stellt uns immer wieder vor große Schwierigkeiten. Diese unstete Finanzierungsform führt immer wieder zu vielen prekären Arbeitssituationen, die sowohl für die jeweiligen Projekte wie für die Gesamteinrichtung, aber auch für die Mitarbeiter eine Arbeit am Rande des Existenzkampfes und der Zumutbarkeit zur Folge haben. Dies steht im massiven Widerspruch zu einer richtigerweise geforderten kompetenten, qualitätsvollen und verlässlich-kontinuierlichen Arbeit.

Du hast drei Wünsche frei für den Schlachthof. Welche sind das?

Über das zuletzt Gesagte, dem Wunsch nach einer angemessen und verlässlichen Arbeitsgrundlage, hinaus habe ich momentan nur einen Wunsch: Wir hätten gerne einen Anbau an unseren oftmals zu kleinen Saal.

Auch wenn es sich nicht immer auf der ersten Blick erschließt: Soziokulturelle Zentren sind weit mehr als Veranstaltungszentren. Über ein spartenübergreifendes Programmangebot hinaus bieten sie ein individuelles und ausdifferenziertes Leistungs- und Angebotsspektrum. Damit stellen sie einen eigenen Einrichtungstypus mit spezifischen Stärken und wirkungen dar. Oft jedoch fehlt es an einer einigermaßen stabilen Planungssicherheit, oder Projektförderung erschwert ein auf Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung angelegtes Handeln, um nur sehr kurz einige Problematiken anzureißen.[1] So gibt es noch reichlich Optimierungspotenzial für die Rahmenbedingungen, um soziokulturelle Arbeit bestmöglich wirken zu lassen. Inwiefern eine Typisierung von soziokulturellen Einrichtungen dabei hilfreich sein kann, wird die Zukunft zeigen.

Bis dahin gilt weiter: Soziokultur wirkt. Und zwar sehr vielfältig, auf verschiedenen Ebenen und auf verschiedenen Zeitschienen. Zu Chancen und Wirkungen nutzen und stärken Sie deshalb Ihr lokales Soziokulturzentrum.

Das Interview führte: Bernd Hesse © 2009 LAKS Hessen e.V, www.laks.de