Wetzlar wetzt zum Hessentag

Siegmar Roscher zum Hessentag 2012 in Wetzlar

Seit 20 Jahren sorgt das Kulturzentrum Franzis im mittelhessischen Wetzlar für künstlerische und kulturelle Befruchtung. Kein Wunder, dass diese ganzjährige Kulturarbeit mit einem vielseitigen Kulturprogramm auch Einzug an den Hessentag gefunden hat, der vom 1. bis zum 10 Juni 2012 in Wetzlar stattfindet. Im LAKS-Interview äußert sich Siegmar Roscher zur Arbeit und den Strukturen des Kulturzentrum Franzis sowie den Aktivitäten anlässlich des Hessentags.

Siegmar, in einer bundesweiten kulturpolitischen Untersuchung der LAKS Hessen wurde seitens des Kulturamts Wetzlar (Julius Gerner) über euch gesagt: "Wenn es das Franzis nicht gäbe, müsste man es erfinden". Wer hat es eigentlich "erfunden", seit wann und warum gibt es das Franzis?

Das Franzis gibt es seit 20 Jahren. Beheimatet ist es in den früheren Leitz-Baracken. Im zweiten Weltkrieg waren es Zwangsarbeiterbaracken. Danach wurden sie vielfältig zivil genutzt. Anfang der neunziger Jahre waren mehrere migrantische Vereine, einige bildende Künstler und etliche Musikgruppen dort eingemietet. Zu diesem Zeitpunkt gab es Abrisspläne. In Verhandlungen mit der Stadt und Leitz konnte der Erhalt gesichert werden. Daraus entwickelte sich der Förderverein Kulturzentrum Franzis. Seit 1992 finden dort auch Veranstaltungen statt.

Wer sind die Akteure, was die Schwerpunkte? Was die Perspektiven oder gar Visionen?

Es gibt einen derzeit siebenköpfigen ehrenamtlichen Vorstand und eine Programmgruppe. Sitzungen sind alle zwei Wochen, sind auch offen, Interessierte können mitdiskutieren. Darum noch ein etwa fünfzehn Leute umfassender "innerer Kreis" von Helfern. Derzeit beherbergen wir neben dem Veranstaltungsraum noch zwei spanische Vereine, zwei bildende Künstler, ein Gesangsstudio und zehn Proberäume für Bands. Schwerpunkt des Programms ist zweifelsfrei Musik, wir veranstalten im Durchschnitt drei Mal die Woche. Spartenübergreifend gibt es aber auch Lesungen, Kabarett, Theater, Parties. Finanziell ist alles eher prekär, die Stadt Wetzlar ist nicht überaus spendabel. Perspektive ist also erst mal der Erhalt.

Welches sind deine persönlichen Highlights oder besonderen Erinnerungen?

Der Kontakt mit Künstlern ist allgemein sehr inspirierend und eine Bereicherung der Biographie. Besonders schön ist es natürlich, eine Band vor allen anderen entdeckt zu haben, auch wenn man sie sich natürlich jetzt nicht mehr leisten kann. Get Well Soon haben eines ihrer ersten Konzerte bei uns gegeben, Kimya Dawson war da, Darwin Deez als Support vor zwölf Zuschauern, und wenn Damo Suzuki zum Jubiläumskonzert als Gast vorbeischaut, fühlt man sich schon gebauchpinselt.

In 2012 ist Wetzlar Hessentagsstadt. In diesem Rahmen werdet ihr im Franzis selber unterschiedliche Veranstaltungen anbieten, aber auch die Bühne am Eisenmarkt bespielen. Wie kam es zu dieser Kooperation?

Es gab eine Anfrage der Stadt, ob wir unterstützend tätig werden können. Wir konnten innerhalb der Budgetgrenzen relativ eigenständig das Programm füllen.

Welche Programmpunkte konkret habt ihr ausgewählt. Und warum?

Wichtig war zweifelsfrei der lokale Bezug. Heimische Akteure bekamen also den Vorzug. Das Programm besteht zu achtzig Prozent aus hessischen Acts. Ganz ohne internationales Flair wollten wir es aber auch nicht machen. Am Eisenmarkt wird es sich hauptsächlich um Laufpublikum handeln. Da gilt es den Spagat zwischen der erkennbaren eigenen Handschrift und dem landläufigen Geschmack zu finden. Außerdem müssen wir lautstärketechnisch Rücksicht auf die Anwohner nehmen. Einige Veranstaltungen finden dann auch im Franzis selbst statt.

Was erhofft sich Wetzlar, was das Kulturzentrum Franzis vom Hessentag über den zehntätigen Ausnahmezustand hinaus?

Nicht zu viele Schulden. Ich möchte nicht eingestellte freiwillige Zahlungen an Kultureinrichtungen mit dem leeren Stadtsäckel auf Grund des Hessentags begründet bekommen. Verlängerte Abbiegespuren und ausgemauerte Busbuchten sind mir eher nicht so wichtig. Für die Radfahrer ist einiges gemacht worden, das ist positiv. Persönlich wünsche ich mir danach erst Mal Ruhe.

Siegmar, wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte: Bernd Hesse © 2012 LAKS Hessen e.V, www.laks.de