Badesalz

Mit ihren ehemaligen Bands "Flatsch!" und "Rodgau Monotones" haben Henni Nachtsheim und Gerd Knebel hessische Kulturgeschichte geschrieben. Als BADESALZ gehören sie seit Jahren zu den erfolgreichsten Comedy-Acts in Deutschland. Für die LAKS vergaßen BADESALZ ihr aktuelles Motto "Dabrauchemergarneddrübberredde" und standen bereitwillig Rede und Antwort:

Als hessisches Exportgut kommt ihr ja reichlich in der Republik herum. Mit dem Blick über den Tellerrand: Was fällt euch, zurück im Hessenländle, am ehesten oder am meisten auf?

Gerd: Jedes Bundesland hat so seine Eigenheiten, seine Klischées, die sich auch immer wieder erfüllen. Gleichzeitig gibt es aber die Gemeinsamkeiten von einem Grundverständnis, das es in jedem Bundesland, in jeder Stadt gibt. Aber es gibt natürlich Unterschiede in den Orten selbst. Es kann dir passieren, dass du in einem kleinen Ort auftrittst, und die Leute kennen Michael Flatley nicht oder haben noch nie irisches Tanztheater gesehen. Da machst du einen Joke, und die Leute fragen sich: "Was wollen die eigentlich?"

Henni: Das war schon immer so. Wir hatten in einem früheren Programm zum Beispiel eine Tanztheaterverarschung, über einen Regisseur und einen Boxer, die Tanztheater machen. Auf dem Dorf lief die völlig ins Leere.

Gerd: Auf den Käffern war da wirklich manchmal ein geballtes Fragezeichen. In Frankfurt dagegen haben sich die Leute kaputtgelacht, da ist so etwas durch die Mouson einfach eingeführt.

Henni: Was eine faszinierende Geschichte ist: Wir haben festgestellt, dass in den Gegenden, in denen hohe Arbeitslosigkeit herrscht, z.B. Ruhrpott, Saarland, Osten, über die härteren Nummern mit schwarzem Humor wesentlich stärker gelacht wird als z.B. bei dem etwas feineren Publikum im Wohlstandsgebiet Stuttgart. Das ist eine richtige Sozialstudie. So eine Nummer wie "Fun and die", die finden die Leute in den ´rauheren´ Gegenden gerade gut.

Gerd: Wenn man dem Sterben schon so nah ist...

Kultur findet ja nicht nur auf der Bühne statt, sondern auch das ´Dahinter´ ist wichtig. Interessiert ihr euch als Künstler auch für die kulturpolitische Seite? Wenn ja, was bekommt ihr so mit bzw. was nervt euch am meisten?

Gerd: Ich lese zwar alle möglichen Artikel in der Rundschau oder der FAZ, aber ganz ehrlich: Wir sind so viel unterwegs, dass diese Problematiken gar nicht so dicht an uns herankommen. Es gibt oft so komplizierte Geschichten, z.B. die Berliner Theaterlandschaft, die sind für mich gar nicht greifbar und zu kompliziert. Es ist schon kompliziert, wenn man in so ein Theater wie hier kommt, wenn 60 Leute herumwerkeln und man rätseln muss, wer was macht. Gestern auch, da sagte ein Techniker auf eine Frage: "Moment, da bin ich nicht zuständig". Dann wird telefoniert und zwei andere kommen, und dann ist die Frage: Sind die jetzt zuständig? Oder nur falsch informiert? Das ist schon eine erweiterte Welt, wie in einem Dostojewski-Roman, wo man sich nie die Namen merken kann. Wenn man das Buch weggelegt hat und nicht mehr weiß, was überhaupt war.

Henni: In Frankfurt gab es vor kurzem beispielsweise ein langes Hickhack über die neue Intendanz beim Schauspiel. Man bekommt die Diskussion zwar mit und verfolgt sie auch, aber es macht einfach müde.

Ihr spielt seit Jahren fast ausschließlich auf großen Bühnen von Stadthallen oder Staatstheatern. Das sind Bühnen- und Zuschauerkapazitäten, die soziokulturelle Zentren nicht - zumindest nicht in Hessen - bieten können. Dennoch habt ihr spontan bei dem Wandkalenderprojekt "LAKS-HÄPPCHEN" mitgemacht, um die hessische Soziokulturszene zu unterstützen. Wie passt das zusammen?

Henni: Das würde ja bedeuten, dass du vergisst, wo du herkommst und wie sich die Dinge entwickelt haben. Es ist doch klar, dass es auch für Künstler besser ist, in ´kleinen´ Läden anzufangen, um die notwendige Bühnenerfahrung und Zuschauerresonanz zu bekommen. Das würde in größeren Hallen gar nicht funktionieren. Da würden sich die Leute nur Frust holen. Außerdem ist es ja nicht so, dass wir hier naserümpfend stehen und uns über diese Clubs kaputt lachen.

Henni, du lebst ja nach wie vor in Rödermark, wo es seit über 20 Jahren das AZ Rödermark gibt. Kennst du den Laden? Und was verbindest du damit?

Henni: Klar kennen wir das AZ. Unseren ersten Auftritt in Rödermark haben wir in diesem Kellerunterbau in der Mehrzweckhalle vor knapp 100 Leuten gespielt. Am Anfang spielt man in solchen Clubs, und wenn man dann wie wir das Glück hat, mehr Publikum zu erreichen, wechselt man in größere Räume wie Bürgerhäuser oder Stadthallen.

Glaubt ihr, dass diese Art von Kultur auch etwas bewegt, etwas verändert?

Gerd: Ja klar, auf jeden Fall! Ich glaube, wenn es das nicht gäbe, würde an vielen Orten nichts stattfinden. Und die Leute vor Ort werden mit Sachen konfrontiert, zu denen sie sonst nie hingehen würden.

Henni: Um bei dem vorigen Beispiel zu bleiben: In Rödermark waren die Leute vom AZ diejenigen, die die Kleinkunst- und Comedyacts geholt und etabliert haben

Gerd: ... und heute kopieren doch die Stadthallen letztlich nur das, was andere populär gemacht haben, so nach dem Motto "Jetzt wissen wir, was die Leute mögen, jetzt machen wir da auch mal was".

Henni: Und die machen es sich dann teilweise einfach, indem sie sich die etablierten Acts holen. Was ich gut finde, wenn dann auch Künstler den Veranstaltern treu bleiben, mit denen es über Jahre hinweg eine gute Zusammenarbeit gab. Wenn wir mal wieder in Rödermark spielen sollten, würden wir das auf jeden Fall mit dem AZ machen.

Soziokultur wird ja - als Pflanze gesehen - gerne als Kaktus dargestellt; karg und anspruchsarm, stachelig, aber mit einer gewissen eigenen Schönheit. Als was für eine Pflanze würdet ihr euch am ehesten sehen?

Gerd: (lacht) Henni: Wir hatten mal überlegt, ein Plattencover zu machen, früher, als ich noch lange Haare hatte. Da gab es eine Pflanze, die sah aus wie ein Typ mit langen Haaren, der haben wir eine Nickelbrille aufgesetzt. Und das andere war ein Kaktus mit ganz kurzen Stoppeln. Das kam uns schon ziemlich nah. Zumindest optisch.

Ihr seid ja an dieser Stelle sozusagen Nachfolger einer Ministerin. Würde euch das real auch reizen?

Henni: Ehrlich gesagt, bis auf das Prämiensystem würde mich das nicht reizen.

Gerd: Wir sind schon immer ganz froh, wenn wir nicht in die Verlegenheit kommen, zu nah an Politiker heran kommen zu müssen, die einem vor irgendwelchen Kameras schnell die Hand schütteln wollen.

Henni: Oder das Neujahrsfest der Bildzeitung auf Gut Neuhof, wo dann zum Beispiel Roland Koch neben dir sitzt...

Gerd: ... und vielleicht sogar seinen Arm um dich legt.

Henni: Es gibt ja Kollegen, die sich dann so ablichten lassen. Ich möchte jedenfalls nicht am nächsten Tag mit Roland Koch im Arm in der Zeitung zu sehen sein. Da könnte ich einige Nächte nicht schlafen.

Übrigens, ihr managt euch ja nach wie vor weitgehend selbst. Wer von euch beiden unterschreibt eigentlich eure Verträge?

Henni: Immer, wenn ich nachts nach Hause komme, mache ich einen Knebel-Vertrag...

Gibt es noch etwas, das ihr an dieser Stelle loswerden möchtet?

Gerd: Bei so einer Frage hat der Henni mal einen Superspruch losgelassen, nämlich "Dich." Dem Typen ist wirklich das Gesicht runtergefallen.

Henni: Das hat der mir auch nie verziehen. Der war dann später, bei der Echo-Verleihung in Hamburg, immer noch sauer.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte: Bernd Hesse © 2001 LAKS Hessen e.V, www.laks.de