Kultur für alle

Hilmar Hoffmann im Interview

Prof. Dr. Hilmar Hoffmann, geb.1925, ist Präsident des Goethe-Instituts Inter Nationes, des wichtigsten Mittlers Auswärtiger Kulturpolitik. Er war in vielfältiger Art und Weise als Kulturpolitiker und Autor, als Denker wie Macher, als Idealist wie Pragmatiker, als Visionär wie Wegbereiter tätig. In seinen Büchern, z.B. den Klassikern "Kultur für alle" (1979) oder "Kultur als Lebensform" (1990), warb Hoffmann schon früh für eine Breitenkultur mit einem gleichberechtigten Stellenwert neben der "traditionellen Hochkultur". Hoffmann gilt als einer der einflussreichsten und fortschrittlichsten Kulturmacher im Nachkriegsdeutschland. In Kürze erscheint im Suhrkamp-Verlag eine überarbeitete Fassung seiner Erinnerungen "Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten" als Taschenbuchversion. Seit 2001 ist Hilmar Hoffmann Vorsitzender der Hessischen Kulturkommission. "Die Devise ´Kultur für alle´ ist noch längst nicht erledigt."

Herr Hoffmann, Sie waren in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur als Kulturpolitiker tätig, sondern haben auch unzählige Publikationen verfasst, die wichtige Meilensteine für die sog. "Neue Kulturpolitik" mit der Forderung nach einer gleichrangigen Akzeptanz von "Hochkultur" und "Breitenkultur" darstellten. Was waren damals Ihre Beweggründe?

Zu Beginn meiner Amtszeit im Jahr 1970 hatten wir in Frankfurt eine durchaus professionell zu nennende OFF-Szene, die neben den von der Stadt subventionierten Privattheatern aber leer ausgegangen war. Diese Einrichtungen, z.B. die Batschkapp, die Brotfabrik oder den Sinkkasten, haben wir dann schon bald unterstützt. Als sich herumgesprochen hatte, dass in Frankfurt freie Gruppen durch Zuschüsse unterstützt werden, ist es zu einem regelrechten Ansturm gekommen. Das machte es nötig, Qualitätskriterien zu entwickeln. Damit haben wir erreicht, dass beispielsweise mit einer Einrichtung wie dem Mousonturm ein Prototyp für mediale Grenzgänger zwischen Off-Szene und professioneller Theaterkultur entstehen konnte. Zudem haben wir im Hinblick darauf, dass die meisten Gruppen keine Räume hatten, das Bürgerhaus-Programm erweitert, damit gerade auch die ausländischen Kulturgruppen ihre eigene Kultur in ihrem Stadtteil aufführen konnten. Oder es wurden Straßenfeste finanziert, da haben die Türken ihren Kebab und die Deutschen ihren Äppelwoi mitgebracht, womit fröhliche "Nachbarschaft gestiftet" wurde. Wir haben diese und andere Aktionen gefördert, weil wir diese freie Szene aufwerten wollten und weil das für die kulturelle Infrastruktur einer Stadt genau so wichtig war wie das "hehre" Stadttheater.

Die Kulturförderung in Deutschland ist föderalistisch aufgebaut. Mitte 1998 haben Sie sich noch in der Berliner Morgenpost mit drastischen Worten gegen einen Kulturminister ausgesprochen. Mittlerweile gibt es mit Julian Nida-Rümelin bereits den zweiten Staatsminister für Kultur und Medien im Kanzleramt. Wie stehen Sie mittlerweile dazu?

Ich habe mich damals gegen einen Kulturminister im Kanzleramt ausgesprochen, weil ich die Kompetenzen der Kultusministerkonferenz nicht unterminieren lassen wollte. Aber ich habe begrüßt, dass es endlich wieder einen Ausschuss für Kultur und Medien gibt. Ich wollte damals verhindern, dass durch einen Kulturminister mit Ministerrang im Kabinett die Kulturhoheit der Länder gefährdet wird. Naumann hat ja dann mit seinen flotten Sprüchen über die "Verfassungsfolklore" die Katze aus dem Sack gelassen. Ich bin deswegen froh, dass Nida-Rümelin früh klargemacht hat, dass die Kulturhoheit unangetastet bleibt. Seine Absicht, die Kulturpolitik der Länder mit der des Bundes zu verzahnen, finde ich einen vernünftigen Ansatz. Und da müssen jetzt Vorschläge kommen.

Besagter Nida-Rümelin hat in seiner Antrittsrede im Bundestag und jüngst im Infodienst Soziokultur viele positive Worte für die "Erfolgsstory Soziokultur" gefunden. Als Stichworte seien genannt: die hohe Eigenfinanzierung, die überproportionale Ausstrahlungskraft auf junge Menschen oder das gesellschaftspolitische Potenzial. Wie bewerten Sie die Entwicklung soziokultureller Zentren in Deutschland, vielleicht auch im internationalen Vergleich?

Ich muss gestehen, so detailliert bin ich in dieser Szene nicht mehr drin, um relevante Vorschläge machen zu können. Der Mousonturm in Frankfurt oder das KOMM unter Hermann Glaser in Nürnberg waren ja Prototypen, welche die spätere Entwicklung sicher positiv beeinflusst und auch das Selbstbewusstsein für andere freie und alternative Initiativen gefördert haben. Der Erfolg liegt auf der Hand: Zum einen gibt es die genannten Einrichtungen immer noch, weil sie eben gut waren. Und es sind im Lauf der Jahre sehr viele neue Initiativen mit einem autonomen Selbstbewusstsein dazugekommen.

Die visionsarme Konzeptionslosigkeit von Politik, auch und gerade Kulturpolitik, wird allgemein beklagt. So sagt Jean-Christoph Amman, Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst: "Die Politiker gestalten, wenn Sie Geld verteilen können. Sie erweisen sich als gestaltungsunfähig, wenn die Mittel knapp werden". Gibt es angesichts überschuldeter Haushalte und Kulturpolitik mit dem Rechenschieber Hoffnung auf Besserung?

Nein. Die gibt es nicht, weil in den Köpfen der Kulturpolitiker - quer durch alle Fraktionen - immer noch die Gleichung "Eine freiwillige Aufgabe ist auch eine freiwillige Ausgabe" als billige Ausrede besteht. Und wenn gekürzt werden muss, wird es da vorgenommen, wo es vermeintlich am wenigsten wehtut, weil da auch keine große Lobby wie bei einem großen Theater oder das Feuilleton oder eine große Abonnentenzahl dahinter stehen. So bekomme ich oft zu hören, dass sich meine Nachfolger nur selten in bestimmten Einrichtungen der Off-Szene blicken ließen. Zu meiner Zeit als Kulturdezernent habe ich in der Freien Szene verkehrt. Daher kenne ich ja auch Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit. Oft habe ich auch Stadtverordnete mitgenommen. Das war in Berlin ähnlich, als ich das Kulturprogramm für Olympia 2000 vorbereitet habe. Ein integraler Teil der Kultur, den wir unseren Gästen aus dem Ausland hätten zeigen wollen, falls wir statt Sydney die Olympiade bekommen hätten, war der Alternativszene geschuldet. In den anderthalb Jahren, die ich dort tätig war, habe ich fast jeden zweiten Abend in diesen Kulturläden meinen Wein getrunken. Ich habe mich dort einfach wohl gefühlt, und da war ich ja auch schon 65, also nicht mehr einer der ganz jungen, die solche Schuppen aufsuchen.

Den idealen Kulturpolitiker haben Sie einmal als "reich an Bildung, Phantasie, Widerspruchsgeist und intellektueller Ironie" beschrieben. Ganz im Ernst: Wie viele Exemplare dieser (seltenen) Spezies haben Sie im Lauf Ihres Lebens kennengelernt?

(lacht) Dieses Thema hatten wir gerade gestern abend beim Jubiläum der Alten Oper. Da ging es um die Zukunft des Frankfurter Kulturdezernenten Nordhoff. Von den anwesenden Personen konnte niemand auch nur einen einzigen weiteren deutschen Kulturdezernenten oder eine Dezernentin nennen, der besser als unser Nordhoff wäre. Die heutigen Kulturpolitiker kommen bei der ständigen Anstrengung, Kultur als Lebenselixier zu legitimieren und ihren Etat zu verteidigen, kaum mehr dazu, Artikel zu schreiben, worin sie eigene Visionen entwickeln. Ich selber hätte ohne meine Bücher hier in Frankfurt wenig erreichen können. Aber so hieß es "Mensch, der Hilmar, dauernd in den Medien..." Und so war es möglich, dass mit Wallmann als CDU-Oberbürgermeister und mir als SPD-Kulturdezernenten die Kultur sozusagen überparteilich als Erfolgsstory rangierte. Auch die Frage, ob und wie man damit Wahlkampf für die eigene Partei machen könnte, wurde völlig rausgehalten. Das war für Frankfurt eine große Zeit, wir haben in diesen Jahren beispielsweise elf Museen und mit einem Bibliotheksentwicklungsplan zwölf Stadtteilbibliotheken sowie zwölf Bürgerhäuser gegründet und gebaut.

Was mein Zitat von früher betrifft: Ich würde Julian Nida-Rümelin zu dieser hoffnungsvollen Spezies zählen und das nicht nur im Vergleich zu seinem Vorgänger. Sie wissen, was ein "Naumann" ist? Die kürzeste Distanz von einer Ankündigung bis zu einem Dementi. Ich nenne als eklatantestes Beispiel nur seine wechselvollen Beiträge zur Debatte um das Holocaust-Mahnmal.

Kommen wir auf die Lage in Hessen zu sprechen. Sie sind Vorsitzender der neunköpfigen Kulturkommission, die bis Ende der Legislaturperiode Vorschläge für zukünftige Förderstrukturen der hessischen Kulturpolitik erarbeiten soll. Wie funktioniert dieses Gremium? Und wie sind Ihre ersten Eindrücke?

Bisher hat es nur eine erste, konstituierende Sitzung gegeben. Das liegt aber nicht an Ruth Wagner, sondern an mir. Ich befinde mich ja im letzten Jahr meiner Präsidentschaft der Goethe-Institute, und die noch zu erledigenden Aufgaben sind immens und haben mich einigermaßen überrollt. Aber ich habe mir fest vorgenommen, ab Anfang Juni die Fäden in die Hand zu nehmen. Ich stelle mir die nächste Sitzung so vor, dass wir uns zwei Tage Zeit nehmen, um in Klausur eine Art Bestandsaufnahme zu machen. Und dazu gehört vor allem, die kulturellen Defizite festzustellen, also eine Art Brecht´schen Plan zu machen: "Was fehlt hier alles?" Dann werden wir sehen, was die Kommission - da sind ja tolle Leute dabei - für Ideen hat, die in die Zukunft weisen. Derzeit jedenfalls mache ich noch keine Vorgaben.

Meine persönliche Meinung aber ist, dass vorhandene Institutionen wie Staatstheater, Opern oder Museen nicht noch zusätzliche Gelder bekommen sollten. Das gehört zu den laufenden operativen Aufgaben des Ministeriums. Ich möchte vielmehr, dass wir wirklich Neues, noch nicht Gesehenes und Gedachtes schaffen. Da finde ich zum Beispiel Nordrhein-Westfalen sehr fortschrittlich. Der Mortier soll die Ressourcen des Ruhrgebiets entdecken. Und dafür hat er 50 Millionen Mark zur Verfügung. Und unter 50 Millionen werden wir die kulturelle Infrastruktur hier auch nicht optimieren können. Sollte die Kommission in den Wahlkampf eingebunden werden, würde ich sofort zurücktreten.

Ist das Einsetzen einer solchen Kulturkommission nicht auch ein Zeichen dafür, dass sich die bisherigen Förderstrukturen angesichts faktisch nicht vorhandener Gestaltungsspielräume seitens der Politik überdauert haben? Denken wir an Pflichtaufgaben wie den Erhalt des Preußischen Kulturbesitzes oder das Tarifgeflecht an Theatern. Und wenn ja, wo sehen Sie Lösungswege?

Was Sie da aufzählen, gehört zur materiellen Negativbilanz. Die so gebundenen Gelder sind nicht disponibel, und wo sollen zusätzliche Mittel herkommen? Neues Geld stünde dann auch nicht für die Freie Kultur oder Soziokultur zur Verfügung, sondern nur zur Qualifizierung des Vorhandenen. Ich habe überhaupt nichts gegen Erhöhungen, aber dann bitte alle anderen auch. Ich meine jene anderen, die sich aus Idealismus oder Nostalgie zu ihren Anfängen permanent selber ausbeuten. Diese Motivation und diese Lust, unabhhängig von finanzieller Absicherung etwas zu bewegen, sind zwar auch sehr wichtig, aber auf Dauer sozial nicht zu verantworten.

Soziokulturelle Zentren galten einst als "Schmuddelkinder" der Kulturszene. Mittlerweile werden parteiübergreifend die Leistungen soziokultureller Zentren gewürdigt und ihre Notwendigkeit gerade in Zeiten gesellschaftlicher Fehlentwicklungen als unverzichtbar bewertet. Allerdings hinkt die Entwicklung in Hessen im bundesweiten Vergleich hinterher. Hier gibt es aufgrund mangelnder Förderstrukturen weder ein soziokulturelles Großzentrum mit überregionaler Ausstrahlungskraft noch eine Flächendeckung auf ganz Hessen bezogen, von der völlig mangelhaften Absicherung von Arbeitsverhältnissen ganz zu schweigen. Mit einer angemessenen Absicherung und einer perspektivischen Planungsgrundlage tut man sich also nach wie vor schwer. Woran liegt das Ihrer Meinung?

Das ist ganz simpel. Das hat mit dem Bewusstsein derjenigen Politiker zu tun, die für die Vergabe der Mittel zuständig sind. Stecken die das Geld in die Oper, das Schauspiel und die Museen oder wird die Alternative Szene endlich so ausgestattet, dass sie halbwegs angemessen wirken kann? Dazu gehört auch, angemessen Werbung für die eigenen Angebote machen zu können, die PR kommt mangels Finanzen viel zu kurz. Täglich kommen Tausende Menschen nach Frankfurt, und die Leute wollen doch nicht alle in die Oper gehen. Inzwischen reisen ja viele eigens wegen der attraktiven Angebote des Mousonturms aus anderen Städten an. Für den Mousonturm gibt es eben mittlerweile einen Etat auch für PR. Seit Dieter Buroch auch international anerkannt ist, ist selbst die CDU heute stolz auf den Mousonturm.

Wo sehen Sie Möglichkeiten, dies positiv zu ändern, also einerseits das Erreichte zu sichern und andererseits das aufgrund der permanenten Existenzkämpfe brachliegende Potenzial der Einrichtungen auszubauen?

Auch das ist auf einen ganz einfachen Nenner zu bringen. Es gilt das alte Gesetz der Medienwirksamkeit. Die alternativen Gruppen brauchen eine verstärkte Vermittlung ihrer Angebote im Fernsehen und in den Printmedien. Man müsste Nischen in den Feuilletons und auch in den Massenmedien besetzen, so dass der Stellenwert automatisch steigt und die Leute sagen: "Donnerwetter, das haben wir ja gar nicht gewusst, wie gut das ist. Da gehen wir endlich mal hin."

Abgesehen davon braucht es aber auch einen Feuerwehrtopf, einen Pool für Innovationen. Wenn jemand mit neuen Ideen kommt, dann dauert das vielleicht zwei Jahre, bis klar ist, ob ein Ideengeber Mittel für die Realisierung bekommt. Und dann sind selbst die besten Ideen meist verpufft.

Auf Unterstützung und Initiative der Politik hoffen und warten ist das eine. Das andere: Was muss nach Ihrer Meinung die Soziokultur in Hessen neben ihrer eigentlichen Arbeit tun, um endlich eine angemessene Absicherung und einen perspektivischen Planungshorizont zu erreichen? Und inhaltlich: Was müssen die zukünftigen Handlungsstränge sein?

Das fängt damit an, dass sie endlich einmal den abgestandenen Begriff "Soziokultur" beerdigen. Ich sage schon immer "die sogenannte Soziokultur". Es riecht immer stark nach trockener Soziologie, nach Sozialem, aber nicht nach Kultur und Lust darauf. Es gibt nicht wenige in der Politik, die weghören, wenn der Begriff fällt.

Was ich auch wichtig finde: Man sollte die letzten Reste des vermeintlich Links-Ideologischen - was wahrscheinlich gar nicht ideologisch gemeint ist, aber bei vielen so ankommt - endlich einmal "rausbürsten". Stattdessen sollten sie das Sinnliche der Kultur stärker deutlich machen, um das zu transportieren, was ihnen wichtig ist. Die Entdeckung der Sinnlichkeit als Transportmittel für Inhalte also.

Unabhängig von der Absicherung durch öffentliche Mittel. Die Rahmenbedingungen für kulturelle und auch interkulturelle Arbeit werden nicht einfacher. Als Präsident des Goethe- Instituts Inter Nationes sind Sie zuständig für die Auswärtige Kulturpolitik und wissen damit um die Bedeutung interkulturellen Austauschs. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund Steuermaßnahmen wie die sog. "Ausländersteuer", die nachweislich bereits zu einem Rückgang von Veranstaltungen mit ausländischen KünstlerInnen in den letzten Jahren geführt hat?

Das ist eine Hauptcrux der gegenwärtigen Kulturpolitik. Hans Eichel als Bundesfinanzminister wird zum einen zu Recht wegen seines strikten Sparkurses gelobt, zum anderen kann durch Sparkurspolitik nichts Neues entstehen. Hätte Naumann nicht bei der Deutschen Welle 100 Millionen gekürzt, hätte auch unter ihm nichts Neues geschehen können. Ich hatte auch einige Gespräche mit Hans Eichel, und da hieß es immer: "Hier hat gestern der Scharping gesessen. Und vorgestern der Schily. Denen habe ich auch nicht helfen können. Tut mir leid." Die Regierung ist offenbar nicht in der Lage, Prioritäten zu setzen oder Neues entstehen zu lassen. Eine Ausnahme gibt es aktuell jedoch: Frau Buhlmann bekommt angesichts der Entdeckung horrender Bildungsdefizite unter den Jugendlichen soviel an Zusatzmitteln, dass sie die vielen Millionen gar nicht sinnvoll investieren kann.

Gesetzt den Fall, Sie hätten einige Wünsche frei. Was wünscht sich der Visionär, was der Pragmatiker?

Die Devise "Kultur für alle" ist ja noch längst nicht erledigt. Schauen Sie sich doch einmal an, wer wirklich in Theater und in Museen oder zu Angeboten der Off-Szene geht. Das sind höchstens zehn Prozent der Steuerzahler, von denen das alles finanziert wird. Das liegt meines Erachtens auch daran, dass schon in den Schulen drastische Defizite entstehen. So verleidet die trockene Pflichtlektüre in der Schule die Lust auf Lesen. Es gibt kaum oder keine musische Bildung oder ästhetische Erziehung in der Schule. Und dieses Manko zieht sich bis in die Politik hinein, so dass Kultur und Kulturpolitik als etwas gewertet werden, das nur kostet. Oder dass nur darauf geschielt wird, welche Klientel man bei Wahlen mit Kulturellem erreichen kann. Es gab beispielsweise zu Walter Wallmanns Zeiten in Frankfurt eine deutliche Identifikation mit Kultur. Eine solche Identifikation muss generell wieder erreicht werden.

Vor diesem Hintergrund erhoffe ich mir von Nida-Rümelin viele Anregungen und Anstösse zur Bewusstseinsänderung bis hinein in die Parlamente. Er muss die Menschen und die Entscheider überzeugen, z.B. durch seine politische Arbeit und die Vermittlung kulturpolitischer Anstösse über Medien wie Zeitungen und Fernsehen. Um es noch einmal zu sagen: Ich finde es gut, wie er das bisher macht.

Herr Hoffmann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Interview führte: Bernd Hesse © 2001 LAKS Hessen e.V, www.laks.de