Barbara Stolterfoht, Hess. Ministerin für Frauen, Arbeit und Sozialordnung

Im Interview: Barbara Stolterfoht

Barbara Stolterfoht kam erst spät, nämlich mit 44 Jahren, zur Berufspolitik. Um sich dann aber umso heftiger hinein zu begeben: Knapp ein Dutzend Jahre später war sie bereits Hessische Ministerin für Frauen, Arbeit und Sozialordnung. Und auch nach dem Regierungswechsel blieb sie stets sozial engagiert.

Frau Stolterfoht, Sie sind eine vielseitig engagierte Sozialpolitikerin. Gemäß dem Motto "Das Leben ist eine Baustelle"; welches waren oder sind Ihre Lieblingsbaustellen?

Aufbauen und Strukturen bauen oder absichern - das habe ich immer mit besonderer Leidenschaft betrieben: In Kassel das Amt der ersten kommunalen Frauenbeauftragten gestalten - das war spannend. Und in der Sozialpolitik für Kassel die Projekte aus dem Modellprogramm Psychiatrie dauerhaft absichern oder mit Kiss eine Anlaufstelle für Selbsthilfegruppen schaffen oder - als Ministerin - die sozialen Projekte mit Hilfe des Sozialbudgets den damaligen Kürzungsrunden entziehen - das waren wichtige strukturerhaltende Maßnahmen der Sozialpolitik.

Ob als erste kommunale Frauenbeauftragte oder später als Hessische Ministerin für Frauen, Arbeit und Sozialordnung: Sie waren stets auch frauenpolitisch engagiert. Wie sehen Sie aus dieser Sicht die hessische Soziokultur, die in nahezu allen Bereichen (Künstler, Personal, ehrenamtlich Tätige, Publikum, Nutzer) einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil aufweist?

Kreativität und künstlerisches Können sind zwischen den Geschlechtern gleich verteilt - das Geld und die soziale Absicherung sind es nicht. Dass sich im Bereich der wichtigen, aber chronisch unterfinanzierten Soziokultur so viele Frauen finden, hat m. E. zwei Gründe: Frauen lassen sich weniger als Männer durch Geldmangel abschrecken: Sie sind es seit Jahrhunderten gewohnt, den Mangel an Geld durch Flexibilität und Erfindungsgabe zu kompensieren. Und: Sie sind im Bereich der unterfinanzierten Soziokultur auch deswegen so stark vertreten, weil Frauen Anerkennung in Gestalt von Honoraren und festen Stellen sehr viel schwieriger erhalten als Männer.

Hilmar Hoffmann hat an dieser Stelle einmal gesagt, die stark auf Eigenmotivation und Selbstausbeutung aufgebauten Strukturen in der Soziokultur seien "dauerhaft sozial nicht zu verantworten". War dies auch der Grund für Sie als Sozialpolitikerin, sich in Form einer Kleinen Anfrage im Kulturbereich für die hessische Soziokulturszene einzusetzen?

Diese Kleine Anfrage habe ich aus zwei Gründen gestellt: Ich habe in 16 Jahren Sozialpolitik Soziokultur schätzen gelernt - in der Altenarbeit - z.B. in unserem Projekt "Malen im Pflegeheim", in der Psychiatrie - z.B. die hervorragende Arbeit von "Maske Blauhaus", in der Jugendarbeit. Und ich habe immer wieder erlebt, dass es so gut wie unmöglich ist, diese wichtige und innovative Arbeit auch nur einigermaßen angemessen zu finanzieren. Und ich habe in Gesprächen mit dem Geschäftsführer von LAKS, Herrn Hesse, erfahren, dass dies eben nicht nur bei der kulturellen Arbeit an der Schnittstelle zur Sozialpolitik so ist, sondern für den gesamten Sektor der Soziokultur gilt. Überdies bin ich beeindruckt von der Arbeit und Selbstorganisationskraft der LAKS und habe gehofft, dass ich mit der Kleinen Anfrage unterstützend tätig werden kann.

Wie bewerten Sie die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage zur Soziokultur?

Naja. Viel hat LAKS nicht zu erwarten. Nötig ist insbesondere, dass die Infrastruktur gestärkt wird, d.h. sichere und wenn möglich bessere Förderung der soziokulturellen Zentren. Sie sind Kristallisationskerne soziokultureller Arbeit.

800.000,- DM Landesförderung aus dem Kulturetat für mehr als 40 Zuwendungsempfänger, das macht im Mittel 20.000,- und in der Spitze 50.000,- DM. Angesichts der steigenden Anzahl soziokultureller Anbieter und stetig steigender Kosten ist dies faktisch ein deutlicher Rückgang in den letzten Jahren. Wo liegen aus Ihrer Sicht, angesichts knapper öffentlicher Kassen, Möglichkeiten für eine verbesserte Absicherung der Kernstrukturen und für die Planungssicherheit soziokultureller Zentren?

Wir müssen weiter daran arbeiten, dass die staatliche Förderung besser wird. Das wird aber nicht ausreichen. Denkbar wäre die Schaffung einer Stiftung für Soziokultur, die von solchen Firmen getragen wird, die sich "Corporate Citizenship" auf die Fahnen geschrieben haben. Mir scheint, dass im Zuge der Amerikanisierung unseres Wirtschaftslebens diese Förderkultur aus den USA auch hierzulande sich entwickelt. Und wenn von Unternehmensgewinnen für das Gemeinwohl was abfällt, ist das zu begrüßen - auch wenn es "peanuts" sind.

Sie haben angekündigt, sich demnächst aus der "Großen Politik" heraus zu ziehen. Vor einigen Jahren haben Sie für diese Nach-Politik-Zeit angedacht, Ihre Promotionsarbeit zu beenden. Führt Sie der Weg also noch einmal von der Praxis in die Theorie?

Ja, das habe ich immer noch vor. Allerdings habe ich im Augenblick ein zeitraubendes Ehrenamt: Ich bin Bundesvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und sehr mit politischer Lobbyarbeit beschäftigt - übrigens auch für die Soziokultur.

Das Interview führte: Bernd Hesse © 2002 LAKS Hessen e.V, www.laks.de