Kultur ist kein Luxus

Im Interview: Sarah Sorge

Im Januar 2001 übernahm Sarah Sorge in der Nachfolge von Frank Kaufmann das Amt der kulturpolitischen Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Seitdem bekundete sie bei mehreren Gesprächen und öffentlichen Veranstaltungen ihren Unterstützungswillen für die hessische Soziokulturszene. In der Praxis äußerte sich dies jüngst in einem Berichtsantrag an das Land Hessen zum baulichen und technischen Zustand soziokultureller Zentren in Hessen, um den notwendigen Sanierungs- und Investitionsbedarf zu ermitteln. Die zweiunddreißigjährige Diplom-Politologin lebt in 'wilder Ehe' mit dem Vater ihrer knapp 2jährigen Tochter in Frankfurt und ist seit Januar 2001 Landtagsabgeordnete in Hessen. Vorher hatte sie einige Funktionen bei den Grünen auf Stadt- und Landesebene inne, von 1999 bis 2001 war sie Politische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen Hessen.

Sie sind seit nunmehr fast eineinhalb Jahren Landtagsabgeordnete und kulturpolitische Sprecherin Ihrer Partei. Wie sind Sie zur Kulturpolitik gekommen?

Ich habe mich bereits als Stadtverordnete in Frankfurt für Kulturpolitik interessiert. Damals wurde sogar extra der Kulturausschuss vergrößert, um mir die Chance zu geben, mich zu engagieren. Den Zugang zur Kulturpolitik hatte ich damals eher über die Party-Szene und alles, was mit sogenannten "jugendlichen Subkulturen" zu tun hatte. Aber natürlich habe ich mich auch mit der freien Szene und mit den Museen und Theatern und allen anderen Bereichen beschäftigt. Damals ist mir bewusst geworden, wie wichtig alle Bereiche der Kultur sind und dass die verschiedenen Gebiete auf keinen Fall gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Denn jeder Erfolg für einen kulturpolitischen Bereich ist ein Gewinn für die gesamte kulturpolitische Landschaft. Genau mit dieser Erfahrung bin ich auch in die hessische Kulturpolitik eingestiegen.

Was waren Ihre prägendsten politischen (Neu-)Erfahrungen in dieser Zeit?

Das Frustrierendste an der Landespolitik ist eigentlich, dass man als die kleinere Oppositionspartei in Wiesbaden relativ schwer Zugang zur Presse bekommt. Da war ich aus Frankfurt verwöhnt, denn die beiden großen hessischen Zeitungen sind ja auch Frankfurter Zeitungen - und haben für die Frankfurter Stadtpolitik mehr Seiten zu füllen als für Hessen. Und als Landespolitikerin ist man ja noch mehr auf die Medien angewiesen als in der Stadt, da die Wege zu den Menschen viel länger sind. Andererseits ist man gerade dadurch auch mehr auf den persönlichen Kontakt angewiesen - und das ist ja gerade das, was in der Politik so viel Spaß macht.

Sie sind Mutter einer jungen Tochter. Wie lässt sich das politische Alltagsgeschäft mit dem notwendigen Privatleben verbinden?

Das ist nicht besonders einfach - insbesondere weil man als Politikerin viele Abend- und Wochenendtermine wahrnehmen muss. Ich stehe eigentlich ununterbrochen unter Druck und leide unter einem schlechten Gewissen - entweder meiner Tochter oder meiner politischen Arbeit gegenüber. Seit meine Tochter da ist, sage ich auch einmal Nein bei einer Terminanfrage und stelle das Privatleben mehr in den Vordergrund. Das kommt ja zum Glück auch meinem Freund zu Gute, der hauptsächlich die Betreuung unserer Tochter übernimmt. Trotzdem haben PolitikerInnen ja leider generell einen Hang zum Workaholic, daher muss ich mich immer wieder selber bremsen.

Der aktuelle Anlass für dieses Interview ist ja der Berichtsantrag Ihrer Fraktion zum Zustand und zum Sanierungsbedarf der hessischen Kulturzentren. Was waren die Hintergründe für diese Aktion?

Ausschlaggebend für den Berichtsantrag war sicher der Kongress der LAKS im November letzten Jahres. Hier, aber auch bei einigen Besuchen vor Ort in den soziokulturellen Zentren Hessens, wurde immer wieder deutlich, dass sich der Anspruch an die Soziokultur (bei über den Daumen gepeilt in etwa gleichbleibenden Mitteln) ständig erhöht und dass eine gute und anspruchsvolle Arbeit eben nicht ohne neue technische Ausstattung und ansprechende und funktionale Räume zu machen ist. Und viele Zentren sind zur Zeit eben nicht nur nicht mit den neuesten technischen Mitteln ausgestattet, sondern es fehlt wirklich am nötigsten. Und unter solchen Voraussetzungen erhöhte Qualitätsansprüche zu stellen, finde ich schwierig. Hier sollte dringend etwas passieren.

Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

Das Ministerium hat wohl Schwierigkeiten, die genauen Zahlen und Fakten zusammenzutragen - daher dauert die Beantwortung wohl noch ein wenig. Mir ist allerdings wichtig, den Sanierungsbedarf erst einmal zu kennen - damit wir wissen, in welcher Größenordnung und mit welcher Priorität wir einen Sanierungsplan aufstellen können. Die Antwort auf einen Berichtsantrag wäre zuerst einmal Papier gewordene Statistik. Und Papier ist bekanntermaßen geduldig.

Was folgt danach?

Die Infrastruktur der Soziokultur ist mir wirklich ein wichtiges Anliegen, aber als kleinere Oppositionsfraktion habe ich ja lediglich die Möglichkeit, immer wieder nachzubohren und Salz in offene Wunden zu streuen. Wichtig ist ja immer, dass möglichst viele Menschen Druck auf die Regierung machen. Wenn auch die LAKS selber, und auch die betroffenen Kommunen und die Besucherinnen und Besucher Druck machen, dass was passiert, dann ist die Chance natürlich sehr viel größer.

Angesichts einer grundsätzlich zustimmenden Meinung aller Landtagsfraktionen - oder genauer: der kulturpolitischen SprecherInnen aller Landtagsfraktionen - zur verbesserten Absicherung und Planungssicherheit der hessischen Soziokulturzentren: Ist die Einrichtung entsprechender Fördermittel für investive Maßnahmen also nur noch Formsache?

Das besondere in der Kulturpolitik ist, dass sich die KulturpolitikerInnen der verschiedenen Fraktionen relativ häufig einig sind, aber Schwierigkeiten haben, sich gegenüber ihren eigenen FraktionskollegInnen durchzusetzen. Das Vorurteil, dass Kultur Luxus sei, sitzt ja leider - insbesondere bei Haushaltsberatungen - noch in vielen Köpfen fest. Daher ist dies, so meine Einschätzung, kein Konflikt rot/grün gegen schwarz/gelb, sondern hier muss man als Wählerin bzw. Wähler entscheiden, welcher Kulturpolitikerin man am ehesten zutraut, sich in der eigenen Fraktion und bei Koalitionsverhandlungen durchzusetzen. Ich bin da für meine Fraktion guter Dinge...

Frau Sorge, wir danken für das Gespräch und wünschen - nicht gänzlich uneigennützig - viel Erfolg in dieser Sache.

Das Interview führte: Bernd Hesse © 2002 LAKS Hessen e.V, www.laks.de