Seit 30 Jahren ist der Verein bereits in Rauenthal aktiv. Nach der Renovierung des Hauses im Jahre 1988 konnte auch das Kultur- und Kursprogramm starten. Seitdem versucht das Team ganz im Sinne der Soziokultur ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges Programm zu annehmbaren Eintrittspreisen auf die Beine zu stellen: Kultur für alle und Kultur für den ländlichen Raum, um das Dorf noch attraktiver zu machen. Es hat auch einen ökologischen Aspekt, Künstler in die ländliche Region zu bringen und nicht das Publikum in die Stadt. Zum 30-jährigen Jubiläum gab uns Stefanie Börner ein Interview.
Stefanie, wann seid ihr gestartet und wie kam es zu eurer Initiative?
Die Ursprungsinitiative kam von uns aus Wiesbaden. Dort haben wir 1981/82 versucht ein Haus zu finden, um zusammen wohnen und arbeiten zu können. Angedacht war ein größeres Haus, das auch die Möglichkeit für Werkstätten, Laden, Jugendkulturelle Aktivitäten bieten könnte. Da es sich damals als unmöglich herausstellte etwas in der Art zu finden, haben wir als erstes Projekt eine alte Gaststätte angemietet, um dort ein Café-Kultur-Kneipen Projekt als Kollektiv zu betreiben. 1984 haben wir eröffnet und waren schon am ersten Tag überfüllt. Noch heute besteht das Café Klatsch als Kollektivbetrieb weiter. Dort begannen auch die Ursprünge der Kulturarbeit. Es gab Straßentheater, Konzerte, Ausstellungen, Diskussionen, Straßenfeste und Filme und Plenum, jeden, jeden, jeden Montag. Ein Teil der Gruppe wollte allerdings das Konzept des gemeinsamen Wohnens und arbeiten weiter verfolgen und ging wieder auf die Suche- irgendwann auch außerhalb der Stadtgrenze. Anfang 1988 war es dann soweit, dass wir den leerstehenden ehemaligen Nassauer Hof in Eltville- Rauenthal entdeckt haben. Da es einen großen Haus, Saal, Garten und Hof gab, haben wir ziemlich schnell als Verein entschieden, dieses Projekt an zu gehen und zu sanieren.
Wie ging es weiter?
Nicht alle wollten „aufs Land“ ziehen und so sind noch im Herbst diesen Jahres ein Teil der ursprünglichen Gruppe, 11 Erwachsene und 7 Kinder als Wohngemeinschaft hier eingezogen und haben weiter umgebaut und schon bald den Saal zu ersten Workshops und Veranstaltungen genutzt. Die Gruppe ist noch gewachsen und so konnten wir auch das Arbeitsprojekt Jugendbildungsstätte/Seminarhaus im Jahr darauf einweihen. Die Meisten konnten innerhalb des Projektes arbeiten, einige auch außerhalb. Die Kulturgruppe und der Kulturförderkreis, den wir gebildet haben, musste erstmal das hiesige Publikum kennenlernen, sich integrieren, aber nicht assimilieren und schauen was möglich ist und was auch für den ländlichen Bereich wichtig ist. Wir hatten in den ersten Jahren den Schwerpunkt Theater mit vielen Workshops und eigenen Werkstattaufführungen und eigenen Inszenierungen. Wir hatten aber schon immer eine Mischung mit Konzerten, Lesungen, Kabarett, Filmen und Tanz und einem Kursprogramm.
Wo steht ihr jetzt? Was sind eure Aktivitäten? Wer ist aktiv?
Wir sind mittlerweile für die Region ein bekannter Kulturveranstalter, der in einem etwas alternativem Ambiente versucht qualitativ hochwertige, bezahlbare Kultur aufs Land zu bringen und die Leute nicht alle an die Stadt zu verlieren. Wir wollen neben den traditionellen Vereinen etwas frischen Wind hier her wehen lassen, um den kulturellen Weitblick, Toleranz und Weltoffenheit auch in die ländliche Region zu bringen, alleine schon durch unsere Anwesenheit und einer anderen Wohnform ist sicher etwas in Bewegung geraten. Unsere Kulturgruppe besteht aus Menschen, die im Haus wohnen, aber auch an anderen Orten in Rauenthal. Wir entwickeln jedes Jahr ein Frühjahrs- und Herbstprogramm zusammen und organisieren die Kulturveranstaltungen hauptsächlich ehrenamtlich. Unser Schwerpunkt liegt mittlerweile mehr bei der Musik, die wir in unterschiedlichen Sparten präsentieren. Weiterhin haben wir ein vielfältiges soziokulturelles Programm, das wir auf die Beine stellen, um das Dorf attraktiver zu gestalten. Aktiv ist ein Teil der Hausbewohner, ehemalige Bewohner und ein kleiner Teil, der von außen dazu kommt.
An welche Veranstaltung oder welches besondere Ereignis erinnert ihr euch am liebsten?
Ganz toll waren unsere großen Freilichttheaterveranstaltungen auf dem Dorfplatz. Dann auch die mehrmals organisierten „Menues von Sinnen“, im Theaterbereich in der Kooperation mit der Marburger Waggonhalle, Hofköchen aus dem Wiesbadener Schlachthof, Tanz, kellnernden Schauspielern und Musik zum Dessert. Auch Emil Mangelsdorff hier gehabt zu haben war großartig. Mich persönlich hat das Edgar Knecht Trio aus Kassel stark beeindruckt.
Wie werdet ihr das Jubiläum begehen?
Wir feiern am Samstag den 1. September ein großes Hoffest mit vielen alten Freunden, Weggefährten, Nachbarn und Gästen mit selbstgebackenem Kuchen, Kultur für Groß und Klein, Kutschfahrten, Kreativem Essen, internationaler Band und Tanz. Wir feiern ein bisschen bereits das ganze Jahr, indem wir jede 30. Reservierte Karte als Freikarte ausgeben und jedem 30. Besucher ein Freigetränk ausgeben.
Wie bewertet ihr eure bisherige Entwicklung? Seid ihr zufrieden mit dem Erreichten? Wo nicht?
Auf dem Land brauchten wir Geduld, bis wir hier richtig angekommen sind, als Ureinwohner ist das anders. Die bunte Mischung aus Veranstaltungen, Kursprogramm und einigen Angeboten für Kinder und das Mitarbeiten in anderen Vereinen hat das Eis doch nach und nach getaut. Mittlerweile sind wir gut integriert (ein ‚sehr gut‘ gibt es glaube ich für Fremde nicht) haben ein größeres Netzwerk zu anderen Aktiven und Institutionen im Ort und müssen doch immer mal wieder kämpfen, dass man auch in Rauenthal Kultur erleben kann. Wir haben auch weitere Projekte im Ort auf die Beine gestellt wie z. B eine Ton-Modellierwerkstatt und einen ökologischen Bauernhof, der auch Kinderbauernhof ist. Wir sind mit uns zufrieden, aber wir brauchen mehr Helfer und Interessierte aus dem Ort, die eine richtige Vermischung doch noch immer scheuen und wir brauchen mehr jüngere Aktive.
Wo seht ihr euch in 5 Jahren?
In 5 Jahren sind mehrere Aktive bereits im offiziellen Rentenalter, noch ist nicht abzusehen, wer weitermacht und wie viele Jüngere mal übernehmen werden. Im Moment ist das noch gar nicht vorstellbar. Wir denken immer von Jahr zu Jahr.
Wo in 20 Jahren?
Bis dahin wird es sicher eine andere Gruppe geben, die aktiv ist und ich schätze auch mal mit einem ganz neuen Konzept dieses Haus mit Leben erfüllt. Vielleicht wird es eher die Konzentration auf eine Altersgruppe geben. Da die Lage im alten Ortskern für Jugendliche eher uninteressant ist, könnte es möglicherweise eher eine Alternative für das kreative Leben im Alter sein. Immerhin hat die Wohngemeinschaft im Haus alle Stürme überstanden und besteht heute noch immer, natürlich ist es nicht mehr die Ursprungscrew, aber ein großer Teil ist ehrenamtlich bei der Kulturarbeit dabei.
Stefanie, vielen Dank und alles Gute!