Darmstädter Jazz Conceptions - quicklebendig widerborstig liebenswert familiär

Kontrabassist, Erfinder und Leiter dieser einzigartigen Workshops

Theoretiker der Soziokultur fabulieren von Nachhaltigkeit, Innovation und Selbstreflektivität; praktisch erprobt wird dies alles seit 12 Jahren in Darmstadt. Die 13. Darmstädter Jazz Conceptions sind Workshops, aber sie leisten mehr, sie bieten eine ganzheitliche Erfahrung mit dem Lebensmittel Musik für die Teilnehmer, die Dozenten und das Publikum. Beobachter sprechen vom Wunder von Darmstadt, das vom 19. -24. Juli 2004 in der Bessunger Knabenschule erneut stattfinden soll.

Erfinder und Leiter dieser einzigartigen Workshops ist Jürgen Wuchner (Kontrabass), bekannt aus dem Vienna Art Orchestra, aus Arbeit mit Hans Koller, Heinz Sauer, dem Mingus-Projekt und Jazz gegen Apartheid. 1996 wurde Wuchner mit dem Hessischen Jazzpreis ausgezeichnet. Die 13. Darmstädter Jazz Conceptions werden vom Jazzinstitut Darmstadt und der Bessunger Knabenschule veranstaltet.

Zwölfmal haben die Darmstädter Jazz Conceptions bereits stattgefunden, immer mit einer begeisterten Resonanz bei den TeilnehmerInnen wie auch bei den DozentInnen. Was macht Ihr, dass dem Projekt ein solcher Ruf vorauseilt?

Eine Woche lang Ensemblespiel und abendliche Sessions inmitten der Darmstädter Szene, am Tage in gemischten Ensembles unterschiedliche Stücke erarbeiten, sich mit Improvisation befassen, musikalische Abläufe planen, über die Philosophie von Jazz und improvisierter Musik diskutieren und alles sofort erproben. Nicht isoliert, sondern in einem kommunikativen Prozess zu arbeiten: Viele haben das noch nie erlebt und erfahren eine völlig neue Facette ihrer musikalischen Persönlichkeit - durch den lustvollen Gebrauch des eigenen Verstandes.

Was ist das Thema? Klar ist, es ist nicht Instrumentalunterricht, es ist keine vorgegebene Richtung in Art und Stil der Musik. Was also findet in dieser Woche statt?

Zentrales Thema aller Jazz Conceptions ist immer das Zusammenspiel in der Gruppe. Die TeilnehmerInnen sind begeistert, weil wir bewusst auf den Schulcharakter verzichten und weil wir uns auf die Menschen einlassen. Das geht aber nur, weil wir profilierte DozentInnen gewonnen haben.

Wo kommen die TeilnehmerInnen her? Stellen sie eine einheitliche Gruppe dar?

Unsere TeilnehmerInnen sind sehr unterschiedlich nach Alter, Kenntnisstand, Einbindung in die Musik. Sie sind jung, reif und alt, einige studieren Musik, manche gehören zu Musikgruppen. Es gibt Leute, die tauchen als Teilnehmer immer wieder auf...

...ich finde es erstaunlich und mutig, dass Ihr die musikalischen Vorkenntnisse der TeilnehmerInnen bei der Anmeldung nicht abfragt und auswertet...

...das will ich auch gar nicht wissen, es wird sich entwickeln. Und wir haben es bisher immer geschafft, trotz der Unterschiede. Der Erfolg kommt durch die hohe Motivation der TeilnehmerInnen und DozentInnen.

Wie schaffst Du es immer wieder, DozentInnen für dieses Abenteuer zu finden?

Unter unseren DozentInnen sind Weltstars und junge Talente aus der Region. Bedingung für eine Einladung sind eigene Interessen, eigene Ideen und eigenständige Arbeitsweise. Wir wechseln jährlich, laden jeweils einige neue DozentInnen ein, vermeiden jedoch große Verschiebungen, indem DozentInnen auch mehrfach eingeladen werden. Das scheint Früchte zu tragen, denn das Verhältnis zwischen den DozentInnen und TeilnehmerInnen war bisher immer von Vertrauen und Respekt geprägt. Das Jazzinstitut hat die Liste aller DozentInnen veröffentlicht.

Das alles klingt nach Lust am aufrechten Gang...

Tatsächlich fühlen sich die TeilnehmerInnen sehr frei. Man sucht den Dozenten seiner Wahl, aber dann wechselt man die Gruppe, und das mehrfach am Tage. So lernt man nicht nur verschiedene Konzepte von Musik kennen, sondern nach dieser Woche haben von den 50 TeilnehmerInnen auch alle einmal miteinander gespielt. Dies ist der Prozess, den wir zwar ermöglichen können, der jedoch von den Teilnehmerinnen organisiert wird.

Ein so engagiertes Projekt hat folgen. Ich denke hier an z.B. ART-hoc oder die Gruppe um Christoph Kröll, Uli Partheil oder Krzysztof Misiak aus Polen, die später Dozenten wurden, den Bassisten Thomas Heldmann und den jungen Schlagzeuger Tobias Backhaus.

Tatsächlich lässt sich die Nachhaltigkeit unserer Arbeit nicht nur an der Zahl der begeisterten Teilnehmer messen. Es gibt Gruppen, die unmittelbar aus den Jazz Conceptions hervorgegangen sind. Aus Teilnehmern sind Dozenten geworden und eine Reihe von jungen Musikern haben ihren Weg zum Musikstudium gefunden.

Dennoch ist es erstaunlich, dass auch das Publikum die Workshops so interessiert verfolgt.

Ja, das Publikum in Darmstadt würdigt unsere Konzerte durch hohe Beteiligung, es ist einmalig, dass während der Jazz Conceptions die Clubs und die Abschlusskonzerte in der Bessunger Knabenschule so gut besucht sind. Auch die Presse stellt die eigentlich wichtigen Prozesse dieser Woche in ihrer Berichterstattung dar.

Die Darmstädter Jazz Conceptions werden vom Jazzinstitut Darmstadt und der Bessunger Knabenschule veranstaltet. Könntest Du Dir vorstellen, dasselbe Projekt an einem anderen Ort ähnlich gut zu verwirklichen?

Kaum. Wir haben im Jazzinstitut Darmstadt und der Bessunger Knabenschule excellente Partner und einen Ort, der in dieser Woche ganz uns gehört. Wir erleben eine außerordentlich glückliche Situation in Darmstadt. Sowohl die Konzerte im Jazzinstitut als auch in der Bessunger Knabenschule sind stets gut besucht, wir finden ein treues und zahlreiches Publikum.

Offensichtlich wirken die Kräfte zusammen im Universum Darmstadt-Bessungen - zu dem das Jazzinstitut, die Bessunger Knabenschule, der Förderverein Jazz und die Akademie für Tonkunst gehören.

Alle Darmstädter Jazz-Institutionen, Jazzinstitut, Knabenschule, der Förderverein Jazz, Jazzclub und auch alle anderen Clubs, bei denen wir mit den Jamsessions zu Gast sind, tragen ihren Teil dazu bei, dass dieses "Jazz-Universum" so gut funktioniert. Aktive und gestaltende Anteile haben das Team der Knabenschule und das Jazzinstitut. Durch die perfekte Unterstüzung des Knabenschulteams fühlen sich alle gut aufgehoben. Das Jazzinstitut steht uns schon in der Planungsphase beratend zur Verfügung und hilft uns mit seiner guten Infrastruktur.

Jürgen Wuchner, wir sind froh, noch viel von Dir lernen zu dürfen und wünschen den 13. Darmstädter Jazz Conceptions Glück und Erfolg.

Das Interview führte: Jürgen Leinhos © 2004 LAKS Hessen e.V, www.laks.de