Es war nicht immer leicht, aber immer spannend!

Seit das Kulturcafé in Groß-Gerau in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre erstritten wurde, ist es ein Ort der Kommunikation, der gesellschaftlichen Information, der kulturellen Bildung und der Kultur. Hier ist Platz für Treffen, Vorträge, Workshops und Diskussionen, für ein ungewöhnlich breites Spektrum an Live-Musik und Tanz, für ein großes Angebot an Kleinkunst, Lesungen, Comedy und Kabarett, für vielfältiges Theater und anspruchsvolle Kinderveranstaltungen, für bunte Flohmärkte und Ausstellungen.

Die Gaststätte Kulturcafé wurde von Anfang an unterverpachtet und eigenständig geführt. Mit den Pachteinnahmen finanzierte man das kulturelle Angebot. 1998 entledigte sich der Verein seiner vielfältigen Pflichten als Vermieter und vollzog eine Trennung von der Gaststätte, die seither direkt von der Stadt Gross-Gerau verpachtet wird. An der sehr guten Zusammenarbeit zwischen Gaststättenbetreibern und Mitarbeitern des Vereins Kulturcafé hat sich dadurch nichts geändert.
Zum mittlerweile 30-jährigen offenen Betrieb haben wir mit dem Vorsitzenden des Trägervereins Kulturcafé, Walter Seeger, gesprochen.

 

Walter, wann seid ihr gestartet und wie kam es zu eurer Initiative?

Ab etwa 1984 gab es in verschiedenen Gruppen den Wunsch nach Vernetzung in einem Zentrum, einem Café oder einem Ort, an dem man gesellschaftspolitisch und kulturell aktiv werden konnte. Ein großes Treffen im März 1985 kann als Start der Initiative angesehen werden.


Wie ging es weiter?

Danach gab es viele Treffen, die Besichtigung etlicher Gebäude, welche infrage kommen könnten, Gespräche mit Stadtverwaltung und Parteien in Groß-Gerau, Demos und Plakataktionen. Diverse Veranstaltungen wurden an mehreren Locations provisorisch durchgeführt. Auch im Alten Amtsgericht, das die Stadt Groß-Gerau gerade vom Land Hessen erworben hatte. Vier Jahre später, 1989, erhielten wir schließlich Saal, Büro, Gaststätte und Biergarten im umgebauten Alten Amtsgericht, direkt im Zentrum Groß-Geraus. Der offene Betrieb startete am 30. April. Fördermittel gab es nicht. Was wir ausgeben wollten, mussten wir in der Gastronomie erwirtschaften. Diese wurde unterverpachtet und brachte uns die nötigen Einnahmen für kulturelle Zwecke.


Wo steht ihr jetzt? Was sind eure Aktivitäten? Wer ist aktiv?

Nach vielen Jahrzehnten aktiver und zuverlässiger Arbeit ist der Verein Kulturcafé Groß-Gerau in der Kreisstadt zur festen Institution geworden. Mehr als 1.600 selbst organisierte Veranstaltungen gab es seither. Von Kinderveranstaltungen bis Metal-Konzerten, von Lichtbildervorträgen bis Kabarett, von Comedy bis zu Flohmärkten. Der Saal wird täglich von den verschiedensten Gruppen genutzt; wir sind der Ort, an dem gesellschaftspolitische Themen diskutiert werden. Ein soziokulturelles Zentrum im besten Sinne. Ausgewählt, vorbereitet und durchgeführt werden unsere Veranstaltungen durch eine etwa zwölfköpfige Gruppe. Das Organisatorische liegt in den Händen von drei auf Minijob- und Stunden-Basis angestellten Personen.

 

An welche Veranstaltung oder welches besondere Ereignis erinnert ihr euch am liebsten?

Unvergesslich ist natürlich der Tag der Kulturcafé-Eröffnung nach vier Jahren hartem Kampf. Als hunderte von Menschen herbeiströmten, Café und Biergarten füllten und froh waren, endlich diesen Treffpunkt in Besitz nehmen zu können. Später gab es natürlich eine ganze Reihe von wahnsinnigen Konzerten oder fulminanten Auftritten. Georg Schramm, Serdar Somuncu, Dieter Nuhr und Chris Tall fallen mir dazu ein. Außerdem tolle Open-Airs im Biergarten, im Schloss Dornberg oder auf der Kulturcafé-Bühne bei der jährlichen ‚Nacht der Sinne‘ in der Innenstadt.

 

Wie habt ihr das Jubiläum begangen?

Aufgrund wichtiger Änderungen und Umstrukturierungen im Vorstand und im Büro trat das Jubiläum in den Hintergrund. Wir feierten es Ende September bei einem Abend mit unseren langjährigen Saalnutzern, welche beim ‚Kulturkarussell‘ Kostproben ihrer Arbeit (Tanz, Gesang, Percussion, Theater, Infos) ablieferten.

 

Wie bewertet ihr eure bisherige Entwicklung? Seid ihr zufrieden mit dem Erreichten? Wo nicht?

Es war nicht immer leicht, aber es war immer spannend. Und grundsätzlich ging es stets aufwärts. Ich denke, wir können durchaus zufrieden sein mit dem Erreichten. Suboptimal ist eindeutig die Tatsache, dass die meiste Arbeit unbezahlt oder schlecht bezahlt erledigt werden muss. Von regulären Arbeitsplätzen mit den üblichen Rechten sind wir weit entfernt.



Wo seht ihr euch in 5 Jahren?

Sofern die Zuschüsse aus Landesmitteln steigen, könnten wir die Situation der Arbeitnehmer verbessern. Die Büroarbeit muss auf normal bezahlter Basis erfolgen, wenn wir auch in Zukunft professionell arbeiten wollen. Daran arbeiten wir. Ansonsten wird es darum gehen, das erreichte hohe Niveau zu halten.


Wo in 20 Jahren?

In 20 Jahren werde ich persönlich und die meisten der heute aktiven Leute voraussichtlich nicht mehr dabei sein. Ob es gelingt, jüngere Menschen für diese Arbeit zu begeistern, steht in den Sternen. Mein Eindruck ist, dass sich viele junge Leute eher spontan entscheiden und sich nicht fest an eine Sache binden wollen. Das kann aber auch wieder anders werden.

 

Gibt es noch etwas, das Ihr an dieser Stelle loswerden möchtet?

Es gibt viele Unterstützer, denen wir Dank sagen. Einzelpersonen, aber auch Sponsoren, die uns das finanzielle Fundament zur Verfügung stellen. Und nicht zuletzt ‚unsere‘ Mitarbeiter in der LAKS-Geschäftsstelle und im Landesvorstand, welche jahrelang dicke Bretter gebohrt haben, um die Landesförderung erfreulich anzuheben.


Walter, vielen Dank und alles Gute!

Das Interview führte: Jennifer Magerkort © 2019 LAKS Hessen e.V, www.laks.de